Beidrehen ?      ...  Im Orkan ?
 
 
Aktiv den Sturm überstehen ?    ...     Mit kleiner Crew ?
                                                                                                  Dr. Hans Lampalzer
 
Dashew hat als Konstrukteur die moderne, hochseetüchtige Yacht mitgeprägt. Sein Fazit, im Sturm "aktiv" zu segeln,
gilt für alle Yachten mit geteiltem Lateralplan, gleichgültig ob Regatta-oder leistungsorientierte Fahrtenyacht.
Für eine kleine Crew gibt es fernab von einem schützenden Hafen dabei aber ein Problem. Es heißt: Erschöpfung.
Wie lange kann man am Ruder stehen?    - 6 Stunden ?   - 10 Stunden ?   - 12 Stunden?
Jedenfalls nicht unbeschränkt.
 
Auf einem Törn Ende Juni 97 von Cuxhaven quer über die Nordsee nach Peterhead, Schottland geriet mein Freund Horst Oelerich
in schweres Wetter.
         
          Sie standen mit ihrer 12m-Yacht, einer Luffe 40, knapp nördlich der Doggerbank, als es losging.
          Es war der 22. Juni.
          Der Skipper war ausgefallen. Horst übernahm gegen Mittag das Ruder.
          Um nicht auf die nördliche Kante der Doggerbank mit noch schlimmerem Seegang getrieben zu werden,
          steuerte er - nur unter stark gereffter Fock - am Ende gegen 10 Bft aus N.
          (In Holland wurden während dieses Sturms 12 Bft gemessen.)
          Der sich schnell aufbauende Seegang erreichte schließlich eine Höhe von 7 bis 8 m.
          Die Wellen waren so hoch geworden, dass die Yacht in den Tälern vollkommen bekalmt lag,
          auf den Kämmen aber vom Winddruck unbarmherzig schräg gelegt wurde.
          60 bis 70 Grad Kurs zu Wind und Welle war das äußerste, was möglich war.
          Mit einsetzender Nacht begannen einzelne Seen zu brechen. Mehrfach stand das Cockpit voll Wasser.
          Dennoch konnte Horst die Yacht einigermaßen auf Position zu halten.
          Gegen Tagesanbruch setzten bei meinem Freund Anzeichen einer schweren Unterzuckerung ein: Zittrigkeit, Schweißausbrüche,
          Unfähigkeit sich zu konzentrieren. Horst stand inzwischen 16 Stunden ohne Unterbrechung am Ruder.
          Peter Kirchner, der dritte Mann an Bord, hatte bei Sturm noch nie gesteuert.
          Nun musste er notgedrungen das Ruder übernehmen.
          Es gelang ihm, die Yacht heil durch den chaotischen Seegang und das allmählich abflauende Wetter zu bringen.
 
Ende gut - alles gut !
Was aber, wenn es in der obigen Situation diesen dritten Mann nicht gegeben hätte?
Letzten Endes würde man sich wohl ein Schiff wünschen, welches allein (!) mit der See fertig wird.
Damit stellt sich meiner Meinung nach für die kleine Crew, welche die Küstengewässer verlässt, erneut die Frage
nach dem richtigen Schiffstyp.
Denn auch der Treibanker (alter Art, über den Bug ausgebracht) ist keine Lösung.
Darin stimmen alle Lehrmeinungen überein.
 
Ausgenommen sind lediglich Lin & Larry Pardey.
In "Storm Tactics Handbook - Modern Methods of Heaving to for Survival in Extreme Conditions", 1998, empfehlen sie
für alle Yachten das Beiliegen unter Treibanker.
Ich zitiere Dashew, der sich zur Strategie der Pardeys wie folgt äußert:
Lin and Larry Pardey have been advocates of heaving to with a parachute anchor for years....
Part of the success may be due to the design of their vessel. She has a heavy displacement, modest beam (Breite),
and a full-length keel. ...
It appears to us a key element is the ability of Seraffyn (Name von Pardeys Yacht) to produce a windward slick
(Schleppe, Wirbelzone) to calm the breaking crests.
This slick is quite difficult to achieve, and none of the sailors we’ve spoken with, who go to sea on modern vessels,
have ever been able to reproduce a slick from their hulls or keels.
                                                                                                             (Surviving the Storm, S. 444 f; Hervorhebungen von mir)
 
Kurzkieler können keine Wirbelzone erzeugen.
Entsteht aber tatsächlich bei Langkielern, wie Dashew es andeutet, eine derartige Zone verwirbelten Wassers,
in der die nachlaufenden Brecher sich tot laufen und in welcher die Yacht relativ sicher beigedreht liegen kann?
Ist es Zufall, dass viele Weltumsegler auch heute einen Langkieler wählen?
Wo kann man sich aktuelles Wissen über diesen Schiffstyp aneignen?
Wer nicht an der Küste aufgewachsen ist oder Zugang zu den Zirkeln der Langzeitsegler findet, ist von solchem Wissen ausgeschlossen.
Nicht nur der Kurzkieler, auch der traditionelle Langkieler à Moitessier wurde weiterentwickelt und segeltechnisch optimiert.
Selbstverständlich werden Langkieler heute ebenfalls in modernen Materialien gebaut; neben Stahl und GFK
in Aluminium und in Woodcore.
Die Berichterstattung sowohl in den deutschen als auch in den mir bekannten ausländischen Segelzeitschriften dreht sich dennoch
fast ausschließlich um Kurzkieler. Sie sind die schnelleren, wendigeren Schiffe. Daher dominieren sie die Regattaszene, die Medien,
den Markt und das Bewusstsein der Segler.
Auch ich habe mich im Sinne Dashews für eine Kreuzeryacht der neuen Generation entschieden.
 
Hätte ich aber den folgenden Bericht von Helmut van Straelen, dem (ehemaligen) Webmaster von Trans-Ocean, damals lesen
können, hätte ich es mir vielleicht doch anders überlegt.
Helmut van Straelen und seine Frau Christine waren von 1989 – 1996 mit ihrer Yacht "Josef Haydn", auf großer Fahrt unterwegs:
        -   Schiffstyp:      Skorpion IIIA, Mittelcockpit
        -   Länge:           45 Fuß bzw. 13,40 m
        -   Werft:            Feltz, Hamburg
         -   Ausbau:           in Eigenarbeit
         -   Verdrängung:  20 t, beladen
 
Auf dem Weg von Annapolis zu den Bermudas hat es Helmut erwischt. Lassen wir ihn selbst berichten:
 
 
Beidrehen ?      ...  Im Orkan ?                                                                                    
  
Der Start von Annapolis (Chesapeake Bay) war am 27. März 1997.
Mit an Bord war lediglich meine Mitseglerin Ursula. Sie ist eine sportliche Münchnerin und war damals Ende der 30.
Als Rucksacktouristin war sie unterwegs gewesen in Australien, Indien und Nepal. Auf den bayerischen Seen hatte sie Jolle gesegelt.
Nun wollte sie das Hochseesegeln ausprobieren.
Mit unserer großen Yacht kam sie sehr schnell zurecht.
Auf dieser Fahrt sind wir beide an die Grenze unserer Belastbarkeit geraten.
Sie war großartig!
 
Für die ca. 750 sm zu den Bermudas (Kurs 83o) planten wir etwa 8 Tage.
Dabei muss man den Golfstrom queren. Es ist eine der gefährlichen Strecken der Ozeane; so manche Yacht geriet in Seenot.
Die aus W oder NW in mehr oder weniger schnellen Folge nahenden Tiefdrucksysteme ziehen aufs Meer hinaus.
Ihre Kaltluft erwärmt sich über dem 25 Grad warmen Golfstrom; dabei laden sich die Tiefs mit Energie auf und können dadurch
extrem hart werden. "They are bombing", sagen die Amerikaner, sie "explodieren".
Der Golfstrom streicht nach NE mit knapp unter 5 kn. Wenn die Kaltfront passiert hat, steht die Windrichtung im Prinzip
gegen die Strömungsrichtung. Dann wird es besonders ungemütlich.
Die Strategie für eine Yacht besteht darin, ein Wetterfenster zwischen den Systemen tiefen Drucks zu nutzen, nach dem Durchgang
der letzten Depression soviel Segel wie möglich zu setzen, um wenigstens den Golfstrom hinter sich bringen,
bevor das nächste Tief zuschlägt.
 
Gut beraten ist, wer auf den Beistand eines professionellen "Routers", eines Wetterberaters, zurückgreifen kann.
Denn so einfach ist das alles nicht. Zum Beispiel verändert sich der Golfstrom dauernd, er mäandriert, wird schmaler, wird breiter
(zwischen 30 und 50 sm). Auch die Tiefs, vor allem ihre Kurse müssen laufend beobachtet werden.
Entsprechende Daten stehen den Wetterberatern zur Verfügung.
Voraussetzung für eine Kommunikation unterwegs ist ein Kurzwellen-Receiver an Bord.
Uns beriet Herb Hilgenberg, ein nach Kanada ausgewanderter Deutscher, der seit 15 Jahren gute Arbeit leistet,
dass man ihm mittlerweile für seine Feststation Marine-Frequenzen zur Verfügung stellt.
Herb ist noch immer aktiv (2007, Ruf: Southbound II).
 
Zunächst verlief alles nach Plan.
Am Morgen des 29. stand die "Josef Haydn" am "Ufer" des Golfstroms.
Wir waren gut vorangekommen. Täglich um 18:00 UTC checkten wir in die Wetterrunde ein, zusammen mit weiteren
70 - 80 Sportbooten, die sich von der Karibik oder USA kommend auf Kurs nach Europa befanden.
Wir meldeten unsere Position an Herb und erhielten seinen Wetterbericht und seine Kursanweisungen.
 
Am dritten Tag abends, es war der 30. März, meldete Herb, dass ein kleines aber kräftiges Tief im Anmarsch sei.
"Es kommt von den Großen Seen herunter und führt sehr kalte Luft mit sich. Wenn das Tief seinen Weg nicht verändert,
geratet Ihr unweigerlich in seinen gefährlichen Quadranten.
Ihr könnt nur versuchen, möglichst viel Abstand zum Kern herauszusegeln. Setzt möglichst viel Tuch und lauft nach Süden!"

Das konnte ja heiter werden!

31. März, 18:00 Uhr
Mit ungutem Gefühl erwarteten wir am nächsten Tag Herbs WX.
"You will get very dangerous weather! - Schwerer Sturm im Anzug! ", meldete Herb.
"Und nun zu den einzelnen Yachten. Als erste bitte melden ... Segelyacht Josef Haydn!"
Das verhieß nichts Gutes!
Herbs Stimme aus dem Lautsprecher:
"Es kommt ganz dick für euch! Bereitet euch auf einen sehr, sehr schweren Sturm vor!
Gegen 23:00 UTC in der Nacht wird es losgehen. 80 bis 85 kn Wind sind möglich. Erbitte eure genaue GPS-Position!"
 
Jeder, der auf diese Etappe geht, muss mit Sturm rechnen.
Wir packten das Groß weg und schlugen das Trysegel an, zusätzlich holten wir die Sturmfock heraus und riggten sie
an einem Drahtvorläufer ans Kutterstag. Unter Deck wurde alles festgezurrt, die Schapps mit zusätzlichen Gummis gesichert,
die Leesegel eingehängt, trockene Klamotten zum Wechseln in den Salon gelegt usw.
Zwei Stunden intensiver Arbeit!
Dann bereitete Uschi etwas zu essen vor, eine Suppe in den großen Thermostopf, Kaffee in die Thermoskanne.
Schließlich legten wir die Sicherheitsgurte an.
Das Tief konnte kommen.
 
Noch immer versuchten wir - inzwischen mit achterlichem, rasch zunehmendem Wind – Strecke zu machen.
Bisher arbeitete unsere Autohelm prima. Noch bei 50 kn Wind hielt sie die schwere Jacht auf Kurs.            
 
Während der Nacht bauten sich Wind und Seegang auf.  
 
Es war kalt geworden. Die Temperatur fiel von 25 auf vielleicht 5 oder 6 Grad.
Irgendwann schaffte es der Autopilot nicht mehr; ich fürchtete, die Yacht würde aus dem Ruder laufen und querschlagen.
Deshalb war ab jetzt Handsteuerung angesagt.
Am besten kam die Yacht mit dem hohen Seegang zurecht, wenn Wind und Seegang etwa 15 Grad von achtern kamen.
Die Wellen waren sehr steil und versetzten jedes Mal das Heck etwas nach Steuerbord.
Ich musste rechtzeitig gegensteuern, dann konnte ich das Schiff ganz gut auf Kurs halten.
Noch konnten wir uns im Steuern ablösen; noch waren wir guter Dinge.
 
1. April, 06:00 Uhr
Am nächsten Morgen lief die "Josef Haydn" unter Try und Sturmfock vor den Wellen ab. Wind 55 kn, das entspricht 10 - 11 Bft.
Die See war steil, brach aber nicht. Das Steuern war zu harter Arbeit geworden.
Die Windgeräusche in der Takelage hatten sich zu einem mehr oder weniger konstanten Heulen und Pfeifen entwickelt.
Die Yacht lief ständig Rumpfgeschwindigkeit: 8,2 k und darüber.
Es würde hoffentlich bald vorbei sein!
 
1. April, 12:00 Uhr       
Es wurde Mittag.
Die Wellen waren beängstigend hoch geworden, die Yacht schwer zu steuern. Der Sturm nahm weiter zu.
Ich versuchte mittlerweile, das Schiff jeweils im Winkel von 45° vor die anlaufende Welle zu bringen. Aber das gelang nicht immer.
Dann wurde das Heck kräftig herumgedrückt und ich hatte erheblich zu kurbeln, bis das Boot wieder auf Kurs lag.
Uschi barg deshalb das Trysegel.
Sie konnte sich nur kriechend auf Deck bewegen. Das lag an den heftigen Bewegungen des Schiffes, aber in gleicher Weise auch
am Winddruck, der alles in den Schatten stellte, was ich bisher kennen gelernt hatte.
Die Sturmfock allein mit ihren 7 m2 reichte aus, um die JH weiter mit Rumpfgeschwindigkeit durchs Wasser pflügen zu lassen.
Aber sie lag nun besser, ruhiger.
Hoffentlich hält das Rigg!
 
1. April, 17:00
Es hatten sich sehr hohe, furchterregende Seen gebildet, von deren Kämmen schon seit geraumer Zeit die Gischt waagrecht abwehte.
Wenn man im Gesicht getroffen wurde, schmerzte es heftig.
Manchmal kippten die Kämme über, Brecher entstanden.
Auch das war zunächst noch kein Problem. Denn bevor er unter das Schiff lief, hatte der Brecher seine Wut schon ausgeschäumt.
Bei jedem Wellendurchgang wurde die JH zuerst mit dem Heck angehoben. Dann sah ich von meinem Platz hinter dem Steuerrad
in das Wellental hinab, in welches das Schiff hinabsauste.
Das war der gefährlichste Augenblick, weil das Ruder immer einen Augenblick wirkungslos war.
Die Fahrt den Wellenkamm hinunter wurde manchmal so schnell, dass unser 20 t-Schiff 10 - 12 Knoten auf der Logge hatte.
Was für eine Höllenfahrt!
Irgendwann zeigt der Windmesser 60 kn, Windstärke 11 - 12.
Auf dem Wellenkamm lag die JH kurzfristig waagrecht, um dann auf der Rückseite der See scheinbar schräg in den Himmel zu steigen.
Uschi konnte das Boot nicht mehr steuern.
     Ab jetzt bin ich auf mich alleine gestellt.
     Uschi versorgt und tröstet mich in diesem Chaos, so gut sie kann.
 
Plötzlich trifft der erste Brecher voll das Schiff, knallt gegen das Heck, schiebt es zur Seite.
Das Schiff krängt, legt sich quer.
Dann höre ich es neben mir rauschen - rauschen - rauschen ...
Dann überholt der Brecher das Schiff.
Sollte uns eine solche See schräg von hinten treffen, würden wir querschlagen ...
 
Ich mochte nicht daran denken, was dann passiert. Ich hatte Angst, mein Adrenalinpegel war am Anschlag.
Es wurde Nacht.
Von den Kämmen der Seen werden ganze Wolken von Gischt abgeweht.
Das Wasser ist massiv, hart und trifft wie ein Faustschlag.
Ich bin schon längst trotz Ölzeug durchnässt.

Wie lange kann ich noch durchhalten?

1.  April, 20:00 bis 00:00
An diese Nacht denke ich nur mit Schrecken.
Die Gischt hüllt das Schiff so ein, dass das Vorschiff unsichtbar ist; nur ab und zu kann ich den Bug schemenhaft erkennen.
Ich weiß nicht, wie hoch die Seen tatsächlich sind. Sehr hoch!
Das Schiff geht auf und nieder wie in einer riesigen Schiffschaukel.
Ich kann nicht mehr erkennen, aus welcher Richtung die Seen kommen, die Gischt und die einfallende Dunkelheit verhindern es.
Alles ist grau.
Irgendwann steigt der erste Brecher ins Mittelcockpit ein.
Plötzlich ist alles um mich her weißes Wasser. Ich klammere mich am Steuer fest.
Langsam, sehr langsam gurgelt das Wasser durch die vier großen Lenzer ab.
Trotzdem dauert es eine Ewigkeit bis das Cockpit leer ist.
Jetzt begreife ich, warum Lenzrohre einen sehr großen Durchmesser haben müssen.
 
Ich stehe bereits 24 Stunden am Steuer, bin platt, kann nicht mehr. Und die Nacht liegt vor uns.
Der Windmesser steht am Anschlag: 80 kn zeigt die Skala.
     (Ich schätze nachträglich die Windgeschwindigkeit zu dieser Zeit auf 85 kn.
     Windstärke 12 werden ab 64 kn gerechnet. 85 kn entsprechen einem Orkan von 14 Bft.)
 
Das 20-Tonnenschiff schießt mit einer Geschwindigkeit zwischen 9 und 11 kn dahin. Und das unter Sturmfock!
Auf und ab! ... Wasser! ... Gegensteuern! ... Das Donnern der Seen! ...    Seit Stunden schon ...
Vor meinen Augen nur noch weiße und schwarze Ringe. ...
Ich muss eine Entscheidung treffen!
 
Der zweite Brecher steigt ein, schwemmt mich beinahe fort.
Die Sicherheitsleine zerrt am Körpe.
Ich halte das schwer arbeitende Schiff gerade noch auf Kurs.
 
Der dritte Brecher ...
Ich kann kaum mehr etwas sehen, kann kaum mehr denken.
Die Luft ist voll Wasser ... die stundenlange Konzentration ... das schwere Schiff ... der Höllenritt in diesem Inferno ...
Ich muss irgendetwas tun, sonst ...
 
--- Beidrehen ! ? ---
Bei diesen irrsinnigen Bedingungen ? …
Sind wir nicht innerhalb weniger Sekunden überrollt? …
Wird uns nicht spätestens der nächste Brecher umdrehen? …
Aber: Was bleibt mir sonst? ...
 
Beidrehen !!
Es ist ein Akt der Verzweiflung.
Nach dem nächsten Wellendurchgang - hinauf, wieder hinunter - lege ich Ruder, drehe das Boot gegen den Wind.
Die JH krängt so stark, dass wir uns festklammern müssen, um nicht aus dem Cockpit geschleudert zu werden.
Dann richtet sie sich wieder auf.
Gebremst durch den unglaublichen Wind, vor dem wir uns nun hinter das Doghaus ducken, wird sie abrupt langsamer.
Ich fühle mehr als ich es sehe, wie das Schiff den anrollenden Wellenberg nimmt: sie steigt, dann fällt sie ein Stockwerk tief
hart nach unten.
Nun dreht die Yacht an. ... Sie geht aber nicht durch den Wind!
Auch der zweite Versuch scheitert. Keine Chance, die Nase gegen 85 kn Sturm zu drehen!
Die Riesenseen krachen mit voller Wucht aufs Vordeck. Das Schiff dröhnt, bäumt sich auf, stampft, vibriert ...
... Es ist laut – schreiend laut.
 
Maschine an!  Noch ein Anlauf!
Volle Pulle Perkins!
Und hart Ruder!
Sie dreht – langsam – zäh – aber sie dreht -  ... weiter!
Im Wellental schafft sie die Wende.
Mit einem Knall schlägt die Sturmfock back. Das Rigg zittert, bebt; wir spüren die Vibrationen bis in unsere Beine.
Aber Verstagung und Mast halten.
Schnell das Ruder auf die andere Seite – bloß nicht zu weit abfallen!
Die Yacht verliert weiter an Fahrt, wieder das Auf, dann der tiefe Fall, sanfter diesmal.
Nun beginnt die Yacht quer zum Wind zu driften, weicht so vor der Härte der Seen zurück,
der ungeheure Winddruck presst aufs Rigg, das Boot krängt, das Ruderblatt hält dagegen.
In extremer Schräglage wird das Schiff wie mit eiserner Hand festgehalten, steigt und fällt, wird nach Lee geschoben,
... steigt ... fällt ... steigt ... fällt ....
Verwirbeltes, schaumiges Wasser in Luv!
Der lange Kiel erzeugt eine Wirbelschleppe, gegen welche die Brecher anrennen ... wie an einem Strand auflaufen
... sich totlaufen ... ... zusammenstürzen!
Ab und zu knallt und pufft es heftig an den Rumpf, ab und zu schlägt Wasser an das Doghaus. Aber sonst passiert nichts.
Es ist nicht zu fassen!

Das Schiff bewegt sich auf und ab, wie in einem heftigen Fahrstuhl, jedoch die Brecher erreichen das Schiff nicht mehr!
Ich kann es kaum glauben.
Nur die Gischt rauscht und schlägt an Deck.
Das Beidrehen hat das Verhalten des Bootes komplett verändert, trotz gleicher Wind- und Seebedingungen.
Wir liegen mit ca. 60 - 65° zum Wind, driften und bewegen uns gleichzeitig 2 - 3 kn voraus.
Gegenüber dem Rollen, Stampfen und Wassernehmen vor fünf Minuten steigt die Yacht jetzt weich auf und ab,
durch den unglaublichen Winddruck in Schräglage gepresst.
Aber sie ist nicht mehr Punching-Ball für die Brecher.
Es ist wie ein Wunder.
 
2. April, 01:00
Uschi löst mich ab mit der Wache.
Zu steuern gibt es nichts mehr, das Ruder ist festgesetzt. Sie wird auf die Yacht aufpassen.
Hoffentlich halten Rigg und Ruder den gigantischen Belastungen weiterhin stand.
Ich bin total erledigt und verkrieche mich in die Koje, schlafe auf der Stelle ein. Es ist ein körperlicher Zusammenbruch.
 
2. April, 05:00
Ich werde wach aus meinem Erschöpfungsschlaf. Fühle mich viel besser, krabble aus der Koje.
Nach wie vor steigt und fällt die Yacht in extremer Schräglage auf und ab.
Ein Blick ins Cockpit zeigt mir, dass Uschi noch da ist.
"Alles in Ordnung?" – "Ja, aber mir ist kalt. Und ich habe Hunger!"
Ich koche Kaffee. Bei diesen Bedingungen! Aber es gelingt.
Dann löse ich Uschi ab.
  
2. April 09:00
Wir haben noch immer 50 kn Wind.
Nach wie vor ist der Seegang "beeindruckend". Aber es gibt keine Brecher mehr.
Geradezu sanft, so scheint es uns, steigt unser Schiff auf und ab.
Ich gehe angeleint zu einem Kontrollgang aufs Deck. Stehe auf dem Vorschiff ... aufgewühlt    - Meer und Skipper ...
Ein Augenblick der Dankbarkeit für unsere tapfere "Josef Haydn".
Wie relativ doch das Windgefühl wird. Jetzt - noch immer bei 9 - 10 Bft - genieße ich dieses Auf-Ab, diese kontrollierte Gewalt.
Ich kann nichts Ungewöhnliches an Deck erkennen - alles ist in Ordnung - und ziehe mich wieder ins sichere Cockpit zurück.
Noch steht die Sturmfock.
Wir gehen wieder auf Kurs.
Es segelt sich wunderbar.
 
Herb meldet sich gegen 10:00.
Er ist froh, dass er von uns Antwort bekommt. Und wir sind glücklich, dass wir ihm antworten dürfen.
 
Drei Tage später, am 5. 4., erreichen wir St. George, Bermudas.
Wir waren davongekommen.
 
Nach uns laufen noch zwei Yachten ein: eine amerikanische und eine holländische Yacht, der Amerikaner ohne Mast,
beide Mannschaften zum Glück wohlauf.
Von Herb erfuhren wir nachträglich, dass Frachtschiffe nördlich von uns 90 – 100 kn Wind gemessen hatten.
Herbs professionelle Betreuung und persönliche Zuwendung hatten uns geholfen, diesen Albtraum zu überstehen.
Es gab wenigstens einen Menschen, der wusste, wo wir uns befanden.
                    
                                                                                                                                              Helmut van Straelen
                                                                                                                                                 hvans@addagio.de
 
                                                                               - - - - -

Verifikation    
Hurricane  -  Orkan
      NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration), Email:
           "… A true hurricane is extremely rare in April in the North Atlantic. Water temperatures usually are not warm enough. …
Your friend must likely experienced a non tropical storm with hurricane force winds."
                                                                                                                                                
(marine.weather@noaa)
Der deutsche Sprachgebrauch weicht davon ab. Nach Claviez
„… ist Orkan zu einem Ausdruck für schweren Sturm … geworden, sobald er Windstärke 12 erreicht.“        
                                                                                                                          
(Claviez, Seemännisches Wörterbuch)
1)   Datum
Helmut van Straelen    
" ... Ich habe den Sturm-Bericht 10 Jahre später aus dem Gedächtnis geschrieben.
Alle meine Logbücher sind zunächst beim Flug nach Hause an Bord der JOSEPH HAYDN geblieben
(wegen Gewichtsproblemen im Flieger).
Der Verkauf der JOSEPH HAYDN erfolgte dann durch einen Makler vor Ort, an einen Engländer.
Er war schon 4 Wochen an Bord bevor ich die Übergabe persönlich vornehmen konnte.
Bei der Abwicklung des Verkaufs in der Marina Almerimar hatte dieser bereits alle privaten Sachen entsorgt. …
Viele Fotos und andre Sachen sind dadurch verloren gegangen. …
Ich habe also nur den Kaufvertrag unterschrieben, das Geld kassiert und bin wieder abgeflogen.
So sind alle Logbücher leider… im Müll gelandet."
                                                                                                                                       (Mail vom 22. 10. 2017)
-   Das Jahr 1997 wird durch die Einklarierungsurkunde in Horta/Azoren belegt. (s. Anhang)
-   Sowohl die ursprüngliche Datumsangaben als auch eine "Nach-Recherche" von Helmut van Straelen (Abk.: HvS)
    legen den "Orkan" in den April 1997.
Aufgrund der folgenden Analyse habe ich das Einstiegsdatum des Berichts in Absprache mit Helmut van Straelen berichtigt.
Die zeitliche Abfolge ist beibehalten.

2)   Position der JOSEPH HAYDN zu Beginn des Sturms

Sie ergibt sich aus den Angaben des Berichts; in meiner Koppelrechnung komme ich auf  ~ 35 N 69 W.
Helmut van Straelen (HvS) hat, unabhängig davon, eine Skizze angefertigt, die dies bestätigt:
 

 
3)   Wellenhöhen, Windstärken
-    Aufgrund der Angaben (Position, Windstärke, Windrichtung, Dauer des Sturms) habe ich versucht, mit Hilfe der bei
Hal Roth ("Handling Storms at Sea") zugänglichen Tabellen die Wellenhöhe zu interpolieren.
Dabei bin ich auf 12 – 14 m gekommen.
-   In einer späteren Email habe ich Helmut gefragt, wie hoch er die Wellenhöhen einschätzt, mit denen er fertig werden musste?
Seine Antwort:
        "Am Tag 12 m. Ich habe mit meinem Mast verglichen; er ist 19.50 m hoch.
        In der Nacht, als ich nichts mehr sehen konnte und der Wind noch weiter zulegte, schätze ich, dass die Wellen 2 m höher waren:
        14 m."
-   Zwei Frachtschiffe nördlich der JOSEPH HAYDN (Abk.: JH) messen 90 – 100 kn
        (aus dem nachträglichen Funkgespräch von Herb mit HvS).
        Das sind 14 Bft.

4)    Stürme im April 1997
An der Ostküste Amerikas sind zwei Stürme belegt:
     -    am 1./2./3. April
     -    am  19./20. April
               (George Bancroft, Marine Weather Review, North Atlantic Area, April – September 1997).
              
5)   Welcher Sturm war es ?
5.1 Wettermeldungen - Vergleich mit der JOSEPH HAYDN
Die Idee ist, den zeitlichen Verlauf der JH mit den gemeldeten Wetterbeobachungen zu vergleichen.
Im Idealfall müsste sich beides entsprechen.
In der Datenbank der NOAA

          https://www.ncdc.noaa.gov/cdo-web/datatools/marine
… sind Wettermeldungen von Wetterbojen und anderen Quellen (z. B. Schiffen) gespeichert.
Untersucht habe ich die Wettermeldungen in einem Planquadrat mit der geschätzten Position der JOSEPH HAYDN im Zentrum, nämlich:
           36.9  N    bis       30.9   S
           73.9  E    bis       67.9   E  

 
Zur Benennung der geographischen Länge: NCEI Marine Data Documentation
                https://www1.ncdc.noaa.gov/pub/data/cdo/documentation/marinedoc.pdf
     "Longitude - Given in tenths of degrees between 0.0 and 360.0 with values between 180 and 360
     in the Western Hemisphere. … "
Wenn man sich den Erdball mit der üblichen Gradeinteilung skizziert, erkennt man schnell:
     270 o E (amerikanisch) sind 360 – 270, also 90 o W (nach der bei uns üblichen Methode)   

Windstärke und Dauer
Ich setze in den Tabellen von Anlage 3 die Grenze bei Bft 10:

JOSEPH HAYDN meldet für die Dauer des Sturms:
              10.00 (UTC, 10 – 11 Bft.) bis nächster Tag 09.00         =    23 h 00 min
-   Sturm vom 19./20.:

         11.30 (UTC)  bis 12.50                            =      1 h 20 min
-   Sturm vom 1./2./ 3. April:
          05.30 (UTC)  bis 17.00                           =    12 h 00 min                                
                                 
Ergebnis
Der Sturm vom 1. – 3. April kommt den Angaben von HvS deutlich näher.
Seine  Zeit-Angaben zu Beginn des Sturms, zum Höhepunkt, auch zur Dauer (Boje 41001) finden ihre Entsprechung
in den aufgezeichneten Wetterdaten dieses Sturms.
Die JOSEPH HAYDN hat sich (zunächst nur "mit großer Wahrscheinlichkeit")  im Sturm vom 1. 4. bis 3. 4. befunden.

5.2   Wettervorhersage vom 1. April 1997 1630 UTC  und
  Position der JOSEPH HAYDN
    High seas forecast ...
    National Weather Service, MARINE PREDICITON CENTER :  16.30 UTC APR 01 1997
             (vollständiger Text im Anhang)

WARNINGS
Complex Storm 40N 67W  984 mb moving E 15 kt then curving NE late….
In association with complex storm near 46N  67W … NW winds to 65 kt and seas to 36 ft with breaking waves
adjacent to the north wall of Gulf Stream extending from 33N 77W … 35N 75W …

Die geschätzte  Position der JOSEPH HAYDN zu Beginn des Sturms ist: 35N  69W.
    -    Zentrum des Sturms am 1. 4. 1997:  40N 67W
              Die Yacht steht also südlicher; Wetter - Router Herb hatte zu einem Südkurs geraten.
    -    Die Zone, in der der NW- Sturm auf den Golfstrom trifft und die höchsten Wellen erzeugt,
             befindet sich auf etwa gleicher Höhe aber 6 - 8 Grad weiter im W am Rande des Golfstroms, den die Yacht gequert hatte.

Vergleich von Windstärke und Wellenhöhen:
-    65 kn Wind (Wettervorhersage) entsprechen 12 Bft.          
-    36 ft (Wettervorhersage) sind 11 m.            
HvS spricht von 12 Bft und darüber und Wellenhöhen von 12 m, nachts vermutete 14 m.

Ergebnis   
Die offizielle Wettervorhersage für das Gebiet der JOSEPH HAYDN und die von HvS berichteten Daten (Windstärke und Wellenhöhen)
stimmen relativ genau überein.

5.3    Ursprung des Sturms vom 1. - 3. April 1997     
Daily Weather Maps
der NOAA   
   
https://www.lib.noaa.gov/collections/imgdocmaps/daily_weather_maps.html

24. – 30. März 1997
Die Karten zeigen eine Folge von Tiefs, die sich nw der Großen Seen bilden und sich nach E (auch nach S) verlagern.
    (Ich beschränke mich im folgenden auf die Isobaren-Karten.
    Die Windwerte sind nicht immer eindeutig zu erkennen, deshalb "?")
30. März: Knapp w der Großen Seen wird ein Tief sichtbar mit hohen Windstärken im S des Zentrums (50 kn ?).
      Dieses Tief wird sich zur Bedrohung für HvS und die JH entwickeln.
31. März  –  6. April (Die Karten sind wochenweise aufbereitet.)
-   31. März: Das Zentrum liegt über dem Erie-See. 100 (?) kn Wind sw des Zentrums. 50 kn WSW von N- und S– Carolina.
            (Anhang 4)
  1. April: Zentrum querab von Boston auf ~ 70 Grad W. 70 (?) kn Wind über dem Festland und n von Florida.
-    2. April: Zentrum über Neuschottland, nw Winde 70 (?) kn sw des Zentrums. Wnw Wind 60 (?) kn über Kap Hatteras.
-    3. April: Tief nach NE gewandert, abschwächend. Noch immer viel Wind im Bermuda-Dreieck.

Ergebnis
Herb Hilgenberg hatte vor den Tiefs gewarnt, die sich an den Großen Seen bilden und "herunter wandern".
Ein intensives Tief machte ihm besondere Sorgen. Es ist das oben verfolgte Tief.
Herb riet Helmut, nach S zu laufen.

5.4    Zugbahn  des Sturms vom 19./20. April
George Bancroft:
      "… The late winter-like pattern continued into the last half of April when another low formed near the Bahamas
      and moved rapidly northeast to George`s Bank early on the 19th as a storm before moving east and weakening.
     This system generated wind and sea conditions similar to the earlier storm."
           (aus: Marine Weather Review, North Atlantic Area, April – September 1997)

Dieser Sturm nahm in der Karibik seinen Ursprung, während das Tief vom 31.3. – 3. 4. 1997 von den Großen Seen kam.

Ergebnis
Das ist der endgültige Beweis, dass die JH sich nicht im Sturm vom 19./20. befunden hat.
Denn der Sturm, welcher der JH gefährlich wurde, kam "von den Großen Seen herunter".

                                                                      - - - - -

Fazit
Helmut van Straelen befand sich mit seiner JOSEPH HAYDN im Sturm vom 1. - 3. April 1997.

In Absprache mit Helmut van Straelen habe ich die ursprünglichen Datumsangaben des Berichts korrigiert.
Der zeitliche Ablauf ist unverändert.
Die Maxima der von Schiffen gemeldeten Wellenhöhen betragen 15.5 m.
Seine geschätzten Wellenhöhen von 12 und 14 m sind also zutreffend.
Nicht bestätigt werden in den Schiffsmeldungen der NOAA die Sturmstärken. Mehrfach belegt sind 10 Bft, HvS spricht von 12 Bft.
Dies wiederum bestätigen die Isobarenkarten:
     -   Am 31. März betragen die Windstärken an der Ostküste (Kap Hatteras und N und S davon) 12 Bft
            (über Land, sw des Tiefdruckkerns max. 100 kn = 14 Bft),
     -   am 1. April an gleicher Stelle (Kap Hatteras) zwischen 11 und 13 Bft, am 2. April 10 - 11 Bft.
Herb Hilgenberg berichtet von zwei Schiffen "weiter nördlich" der JH, die beide 14 Bft. nennen.
Die Angaben Helmut van Straelens sind präzise und stimmen in allen Details (Wellenhöhe, Wasser in der Luft, Radar)
mit den Merkmalen von Bft 12 überein.
Auch der genannte Ursprung und die Zugbahn des Orkans sowie der zeitliche Verlauf entsprechen der Realität.
Deshalb ist davon auszugehen, dass alle Angaben zu Sturmstärke und Wellenhöhen richtig sind.
                                                                                                                                                                    
                                                                                - - - - -

 

Anhang

1)    Einklarierungsurkunde der JOSEPH HAYDN in Horta / Azoren

 
2)    Wetter im Nord-Atlantik im April 1997
 

Weather Review – North Atlantic Area, April – September 1997

George Bancroft:
"A slow moving storm moved off the mid – Atlantic coast as April 1997 began. …
An infrared satellite picture (Figure 1) shows the storm centered near Georg`s Bank near the time when the winds were strongest.
Figur 2 shows the corresponding Marine Prediction Center high seas forecast issued based on data near the time
of this satellite image.
The high seas text forecast includes the initial conditions which basically have the storm force winds to 55 kt north, west,
and southwest of the center associated with the frontal cloud band.
The text contains a second warning paragraph describing higher wind and sea conditions where cold air drawn south on the back side
of the storm center encounters the warm Gulf Stream.
The resulting instability brings stronger winds aloft to the surface, generating steep breaking waves.
A sea state analysis for 1200 UTC April 2 (Figure 3), when the storm center was at 42o N 59o W with 979 MB central pressure, shows
a large area of seas 6 meters or higher (Anm.: nahe des Zentrums mit 10 m) covering much of the area south and southwest,
and west of the center down to 27 o N.
The storm was most intense at this time, after which the center continued to move northeast and began to weaken.
The late winter-like pattern continued into the last half of April when another low formed near the Bahamas and moved rapidly
northeast to Georg`s Bank early on the 19th as a storm before moving east and weakening.
This system generated wind and sea conditions similar to the earlier storm.  …"
                                                                                                          (Email-Anhang am 08.06.2017: MWL_April_1997.pdf)

3)  Vergleich: Wettermeldungen der NOAA --- Angaben der JOSEPH HAYDN
           In welchem Sturm war die JOSEPH HAYDN ?
 
Die Wetterstationen sind abrufbar unter:
     https://www.ncdc.noaa.gov/cdo-web/datatools/marine
Ich habe die Meldungen einiger Schiffe ausgewählt.
Zu bedenken ist, dass sich die Schiffe bewegen, dass also ihre Daten nicht von der gleichen Position gesendet sind.
Die Wettermeldungen der NOAA trennen in Wellenhöhe und Schwell. Wellenhöhen und Schwell überlagern sich.
Die Maxima werden aber nicht ständig erreicht.

Die Formate der Aufzeichnungen (NOAA) werden erläutert in:
    https://www1.ncdc.noaa.gov/pub/data/cdo/documentation/marinedoc.pdf
               (NCEI Marine Data Documentation)
-   Time of Observation:   UTC
    Bordzeit (LT, Local Time) der JH war die an der Ostküste gültigen "Eastern Standard Time" (EST).
        EST =                     UTC – 5; Sommerzeit (DST): + 1
        ESTSommerzeit =    UTC – 4
        bzw. UTC =             ESTSommerzeit + 4
    Um vergleichen zu können, habe ich die LT der JOSEPH HAYDN in UTC umgerechnet.
   Wind
                Stärke (STR): in Zehntel m/s; von mir umgerechnet in Bft                                                               
                (Bft 10 entspricht 24.5 – 28.5 m/s)
-    Wellen                                              
        Höhenangaben von Wellen und Schwell: in m/2 ,     von mir umgerechnet in m
        Wellenhöhe und Schwell müssen addiert werden,    von mir geschehen
           
In den folgenden Tabellen:
Angaben der JOSEPH HAYDN  in Kusiv- und Fettdruck.
Wellenhöhen ab 10 m in Fettdruck, bei Boje 41001 ab 7 m.
      
3.1     Sturm vom 17. - 20. April
 
    JOSEPH HAYDN        41001               WZJF              WZJF0              WCJS0   
                                    (Wetterboje)      (Schiffe                 …                        …     )
 17. April                                                           
            UTC   
           2000  Warnung von Herb    ("You will get very dangerous weather!")       
           2049                   2.5 m               
 18. April
           0000
           0400    Handsteuerung                   
           0249                   2.5 m    
           0549                   2.5 m
           1000    55 kn/ 10 – 11 Bft
           1149                   3 m
           1200                                              
           1749                   4.5 m / 6-7 Bft
           1800                                                                8 m / 8 Bft
           2049                   5 m / 6 Bft
           21.00    beängstigend hohe Wellen, 60 kn Wind, Bft 11-12                       
           2249                   5,5 m                                                                                          
           2324                                             11.5 m / 9 Bft
           2349                   6 m / 7 Bft
 19. April
           0000    Schrecken, 85 kn, 14 Bft                     11.5 m / 9 Bft
           0049                                                                                 
           0029                   5 m / 7 Bft
           0400    24 h am Steuer
         - 0500    Beidrehen
           0500    Uschi löst ab                                                                                                   
           0531                                             13 m / 9 Bft
           0600                                                                13 m / 9 Bft       9.5 m/ 6 - 7 Bft 
           0649                   5,5 m                                   
           0849                   5,5 m/7 Bft
           0900    Kaffee, Alles in Ordnung?            
           0949                   6 m           
           11.00    Nach wie vor …                                                                                            
           1128                                             15 m / 10 Bft
           1149                   5 m/ 7 Bft
           1200                                                                15 m / 10 Bft     11 m / 7 Bft     
           1249                   6 m                                                                                                                                              
           1300    Sturmfock, wieder auf Kurs,  Wind 50 kn
           1400    Herb meldet sich; alles ok               
           1449                   5,5 m / 7 Bft
           1549                   6 m           
           1729                                             11.5 m / 7 Bft
           1730                     
           1749                   5,5 m / 7 Bft        
           1800                                                                11.5 m / 7 Bft   12 m / 9 Bft    
           2049                   5,5 m / 5 Bft                                                                              
           2149                   5
           2349                   4.5 m         
20. April   
           0600                                                                                         10.5 m / 6 Bft
           1200                                                                                         10.0 m / 7 Bft
           1800                                                                 4 m / 3 Bft          9.5 m / 6-7 Bft
       
 
Analyse:
-     Wenn die JOSEPH HAYDN in diesem Sturm gewesen wäre, hätte der Sturm zuerst am Ort der JH eingesetzt.
          Kein Schiff, auch nicht die Boje 41001, meldet vorher hohe Windstärken oder extremen Wellengang.
          Das aber ist unwahrscheinlich.
-     Die Zeitstrecke der Wettermeldungen mit 10 Bft ist sehr kurz: 1 h 20 min. Das klingt bei HvS völlig anders.
-     41001 meldet Wellenhöhen von max. nur 6 m; das entspricht der relativ kurzen Dauer von 10 Bft.
-     Die Zeit des Sturmhöhepunktes stimmt zwischen den Angaben der Schiffe und jenen von HvS nicht überein.
           Die Schiffe hätten den Höhepunkt dann, wenn auf der JH bereits alles vorbei ist.
Ergebnis:
In diesem Sturm kann die Joseph Haydn nicht gewesen sein.
     
3.2     Sturm vom 31. 3. -  3. 4. 1997      
                           
JOSEPH HAYDN    41001           WFJN        PJJU0       WPKS     WPWH       PJJU                                      
                           (Wetterboje)     (Schiffe …                  …                                  … )                                       
31. März                                                
         UTC    
        1727                                                                                  7 m / 8 Bft
        1749             2.5 m                             
        1804                                                                    6 m / 7 Bft      
        1849             3
        1949             3.5
        2029             3.5
        2149             4.5
        2200    Warnung von Herb:   „You will get very dangerous weather!”
        2249             5
        2349             5.5 m    
1. April      
        0000    „noch immer Autopilot“, 5o kn Wind
        0012                                                   6 m / 5 Bft
        0049             6 m
        0249             6.5 m/ 8 Bft
        0400    Handsteuerung                                                                                                           
        0449             6.5 m                                                                                        
        0529                                                                                  13.5 m / 10 Bft
        0549             7 m / 8 Bft                                                       
        0600                                                                                  13.5 m / 10 Bft                          
        0949             7.5 m    
       1000    55 kn/ 10 – 11 Bft, Try und Sturmfock
        1134                                                                    5.5 m / 7 Bft                              
        1149             7 m / 8 Bft
        1200    Wellen beängstigend hoch, Sturmfock allein
        1249             8.5 m    
     
   1724                                                                                                          12.5 m / 9 -10 Bft

        1749             8 m / 8 Bft
        1800                                   ? /10 Bft   12.5m/9 -10 Bft    9.5m/8 Bft                                       
        2003                                                                                                                           
        2049             8 m / 8 Bft                                              
        2100    furchterregende Seen, 60 kn Wind Bft 11-12
        2149             8 m 
        2249             8.5 m             8.5 m
        2324                                                                                                     11 m / 9Bft
        2349             7.5 m                                                                                                 
  2. April            
        0000    Schrecken 85 kn, 14 Bft        11 m / 9 Bft              
        0012                                                                     10 m / 8 Bft  
        0049             8 m
        0249             8 m / 7- 8 Bft    
        0400    24 h am Steuer                    
     – 05.00    Beidrehen  
        0459             7.5 m
        0500    Uschi löst ab                
        0549             7 m / 7 Bft    
        0600                                  15 m / 9 Bft            
        0602                                                                  
        0849             7.5 m
        0900    Kaffee, Alles in Ordnung?
        1049             7.5 m                            
        1130                                                                     12 m / 8 Bft             12 m / 8-9 Bft
        1149             6.5 m / 7 Bft    
        1200                                                   12 m / 8-9 Bft                                                        
        1300    Noch immer 50 kn (9 –10 Bft), wieder auf Kurs
        1349              6 m
        1400    Herb: Alles ok!
        1449             6.5 m / 6-7 Bft
        1549             5.5 m
        1749             5 m / 6 Bft                                                 
        1800                                  15.5 m / 9 Bft                                    
        1802                                                                     8.5 m / 6 Bft               
        2349             5 m                         
 3. April                
        0249             5 m / 5-6 Bft  
        0549             4.5 m
        0600                                  14.5 m / 9 Bft
        1133                                                                     14 m / 8 Bft             9 m / 8 Bft
        1149             4 m
        1200                                                   9 m / 8 Bft                                                                                
        1800                                  12 m / 8-9 Bft              10 m / 7 Bft                                         
        2335                                                   5.5 m / 3 Bft                                                                          

4. April
       0000                                                    5.5 m / 3 Bft
       0600                                   12 m / 8 Bft                                                                                            
       1800                                   11 m / 8 Bft

                                                        
Analyse:
Die von den Schiffen gemeldeten extremen Wellenhöhen setzen früher ein als von HvS berichtet und werden länger gemeldet;
das dürfte der Realität entsprochen haben.
Nahezu deckungsgleich ist die Dauer großer Wellenhöhen der Boje 41001 (ab 7 m) und der von HvS gemeldeten Sturmdauer.
Nicht übereinstimmen die Angaben über die Windstärken. 
Ergebnis:
In Verbindung mit der Zugbahn gibt es keinen Zweifel: dies ist der Sturm, der für HvS fast zum Verhängnis geworden wäre.

                                                                                                                 

Anhang 4)     Weather Maps der NOAA, Isobarenkarten
    Email-Anhang: MWL_April_1997.pdf   (MWL = Marine Weather Log, NOAA)

-     vom  31. März 1997, UTC 1200

 
Die Isobarenkarte vom 31. März zeigt Windpfeile an der Ostküste der USA (Wind aus SSW,) etwa auf
    Höhe von Kap Hatteras     75 kn    (= 12 Bft)
    südlicher                         75 kn
    südlicher (N-Florida)         75 kn
    über Land (sw. des Zentrums):     100 kn (= Bft 14)
 
-     vom 1. April 1997
Diese Karte vom 1. April zeigt an der Ostküste der USA (etwa wie oben) Wind von N über W bis SW
    65 kn   n Kap Hatteras     Bft     11 - 12
    55 kn   Kap Hatteras       Bft     10 - 11
    75 kn   s Kap Hatteras     Bft     12 – 13

 

-     vom 2. April  1997

    Karte vom 2. April: am Kap Hatteras NW mit 55 kn    Bft  10 – 11
                                  nördlich davon             80 kn    Bft  13          


Legende:
Windpfeile:     http://www.wpc.ncep.noaa.gov/dailywxmap/plottedwx.html
    “The wind speed is plotted as feathers and half-feathers representing 10 and 5 knots…”
    Die beigefügte Tabelle zeigt das schwarze Dreieck als Symbol für 50 kn.
Zeit:     0700 a.m. EST    (EST = UTC – 5, also) 12.00 UTC  

                                                                       - - - - -                                  

Alle benötigten Wetterdaten erhielt ich von der NOAA der Vereinigten Staaten.
       ("National Oceanic and Atmospheric Administration")
Ich bedanke mich bei Herrn William Brown, leitender Meteorologe bei NOAA, für die großartige Unterstützung.

                                                                                                                           Dr. Lampalzer, Nov. 2017