Segeln mit Yachten
              

                                                                                                       3.    Ruderanlage, Bugstrahlruder

 
1.   Ruderanlage

Wer mit der Pinne aufwächst, wird für sein Schiff eine Pinne haben wollen. Wer mit einem Rad groß wird, möchte ein Rad.
Räder sind eindrucksvoller, aber nicht wirksamer. Mehr Gefühl hat man an einer Pinne.
Eine Pinne gibt Rückmeldungen; man spürt den Wasserwiderstand an der Hand.
Unmittelbaren Kontakt zum Wasser hat man mit einem Steuerrad kaum Am ehesten noch bei Direkt-Übertragung.
 
Mein Cockpit war für ein Rad konzipiert; ich wollte dennoch eine Pinne.
Die Praxis hat mich anders belehrt.
Am alten Schiff konnte ich den Gashebel mit dem Fuß bedienen. Das war auf dieser Yacht nicht möglich.
Ich musste mich jedesmal nach unten bücken, um den Hebel zu erreichen.
Dadurch verlor ich den Sichtkontakt; nach dem Hochkommen dauerte es jedesmal 1 bis 2 sec. bis ich wieder orientiert war.
Vor allem beim Anlegen war dies ein ernstes Handicap. 
So rüstete ich auf Rad um.
 
Wichtig ist, ein möglichst großes Steuerrad zu wählen, damit man vom Cockpitrand aus bequem steuern kann.
Wichtig ist ferner ein Lederbezug. Sonst kühlen die Hände zu sehr aus, wenn man nicht im sonnigen Süden segelt.
Und schließlich sind Fußstützen unerlässlich, wenn die Yacht krängt.

Übertragungsarten (vom Steuerrad auf das Ruder) mittels
-    Hydraulik
-    Seilen (aus Metall)
-    Gestänge und Gelenken (=  Direkt-Übertragung)
          Diese Übertragungstechnik hat die wenigsten Fehlerquellen.

Vielfältige Informationen zu Konstruktion und Material auf den Seiten von www.jefa.com.            

Das Ruder an einem Langkiel wird angehängt.
Vorteile:
-    mechanisch einfach, nahezu unverwüstlich.
-    fremde Leinen können nicht so leicht vom Propeller erfasst werden;
            im Gegenteil, man kann mit dem Kiel im 90o - Winkel z. B. über eine Ankerleine fahren.
Nachteile:
-    Langkieler steuern schlecht. Rückwärts in besonderem Maße.

Das Ruder bei Kurzkielern
-    ... erfordert eine wesentlich anspruchsvollere (damit auch anfälligere) Konstruktion.
          Der Ruderschaft wird wenigstens zweimal, oben (in Decksnähe) und unten am Rumpfaustritt, gelagert.
          Es gibt auch die Befestigung mit drei Lagern.
-    Vorteilhaft ist, dass die Yacht auf die Ruderausschläge gut reagiert.
          Man spricht von einem „lebhaften Steuerverhalten“.

Kiel und Ruder wirken wie die Trag-Flügel bei einem Flugzeug.
Wie dort stehen Dicke und Profil in Bezug zu Geschwindigkeit und Steuerverhalten.
Umgekehrt kann man diese durch Veränderung beeinflussen.
       
Manövrierbarkeitt
Das Steuervermögen einer Yacht ist mit entscheidend bei Stürmen. Auch in (engen) Häfen spielt Manövrierbarkeit eine Rolle.
Sie hängt von verschiedenen Faktoren ab:
-    von der Lateralfläche (Lateralplan)
        Wikipedia:
        Der Lateralplan (von lateral: seitlich) ist die seitliche Projektion der Unterwasserfläche eines Schiffes oder Bootes.
        Er wirkt dem seitlichen Abdriften entgegen - je größer der Lateralplan ist, desto geringer ist die Abdrift des Wasserfahrzeuges.
         … aber eben auch die Drehfreudigkeit einer Yacht.
-    von der aerodynamischen Form des Kiels und des Ruders
-    vom Abstand Kiel-Ruder: je weiter beide auseinander stehen, um so größer ist die Effektivität des Ruders.

Wenn man das Steuerverhalten unter Motor betrachtet (Manövrieren in Häfen), kommen hinzu:
-    PS-Zahl der Maschine; zu viel ist ebenso problematisch wie zu wenig.
-    Art und Form des Propellers; vw, rw
-    Abstand von Propeller zum Ruder:  je weiter entfernt um so schlechter (Saildrive  -  Wellenanlage)
-    Ausrichtung von Propeller und Ruder in einer Linie;
          Doppelruderanlagen steuern unter Motor schlechter.

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Bsp. Summertime
Hersteller:               Jefa

System:                  Radsteuerung mit Direkt-Übertragung
Steuerrad:               größtmögliches Rad (132 cm Durchmesser)
Lederbezug:            ja            
Fußabstützungen:    drei Leisten (im Querschnitt gleichseitig) hinter dem Steuerrad am Cockpitboden

Ruder
-    freistehendes Balance-Ruder
-    Material:
        “Aluminum 6082 combines a high proof stress with a relatively light weight and low price.
        On top of that it is fully seawater resistant. …
        Conclusions: … Stainless steel 316 rudders are NOT stronger than aluminum 6082 rudder stocks.
        High performance yachts should use aluminum 6082 …”
                                                                                                                       (Auszug Webseite von Jefa)
Das Ruder besteht aus
-   dem Ruderschaft,
        Material: Aluminiumlegierung  (EN 6082 = AlM7SgSi1)
        Durchmesser:     79 – 88 mm      
        Länge:               2200 mm
-    zwei Delrin-Lagern,
-    den profilierten Seiten aus Bootsbau-Sperrholz,
-    dem Epoxy-Überzug.
-    Vom Ruderschaft gehen drei Querstreben („tangs“) aus.
-    Das Innere des Ruderblattes ist ausgeschäumt.

Notpinne
Summertime hat zwei Möglichkeiten:
-    die offizielle Notpinne von Jefa; Alu. Sie wird auf den Ruderschaft aufgesetzt.
-   
die ursprüngliche Pinne aus Holz

      Sie ist "verkehrt" herum - Handgriff nach achtern – eingesetzt und überträgt die Kräfte der Aries-Anlage
      auf das Ruderblatt.
      Sie kann sofort als Notpinne benützt werden.
      
Ruderverlust
  
     s. "Sturmtaktik für Yachten" (auf dieser Webseite)
 
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2.     Bugstrahlruder

Für ein Bugstrahlruder muss man ein Loch in den Rumpf schneiden. Auf Seeschiffen halte ich dies für ein Sicherheitsrisiko.
Anders sieht es aus, wenn man den Propeller außerhalb des Rumpfes installiert.
Natürlich verschlechtert dies die Segeleigenschaften.
Im Hafen aber erleichtert ein Bugstrahlruder das Manövrieren, besonders wenn die Yacht hohe Aufbauten, Beiboot, Biminii etc. als Windfang hat.

Man kann Yachten aber auch ohne Bugstrahlruder im Hafen manövrieren.
Dann sollten die genannten Windfänger nicht installiert sein; zusätzlich wird man das Doghaus umlegen.
Auch aus Gründen der besseren Sicht.

Bugstrahlruder brauchen viel Strom. Große Energiemengen erhitzen die Kabel (Brandgefahr).
Normalerweise sollte man nicht länger als 3 – 6 Sek. Gas geben. Mitzählen!
Keinesfalls sollten 30 Sek. ununterbrochener Lauf überschritten werden.
                     (nach Jean Renouf, "Bien Manoevrer son Voilier au Moteur")

Allerdings gibt es Situationen - viel Wind oder Strom - bei denen die Kraft des Bugstrahlruders nicht ausreicht.
Dann muss man doch auf die klassischen Anlege-Techniken zurückgreifen.

Die folgenden Hinweise (sinngemäß) aus: „Querstrahlrudertechnik“ (Palstek 6 / 11):
-    Bis 6 Bft können Bugstrahlruder – richtig konstruiert, dimensioniert und angebracht – dem Winddruck paroli bieten.
-    Anbringungsort: so weit vorne im Bug wie möglich (Abstand zur Drehachse des Schiffes).
         Das Exturn-Bugstrahlruder (www.marinno.com) kann außerhalb des Rumpfes und damit weit vorn angebracht werden.
-    Der Strombedarf ist sehr groß: eigene Batterie, dicke Kabel, eigenes Ladegerät sind nötig.
-    Wenn die Bugstrahlbatterie nahezu leer ist, diese aber (über die Ladeleitungen) mit einer Versorgungsbatterie verbunden ist,
     holt sich die Bugstrahlbatterie den Strom aus der Versorgungsbatterie.
     Das kann die Kabel zum Glühen bringen. Deshalb ist eine eigene Stromversorgung (Ladegerät!) nötig.

Ich persönlich habe mein Schiff nicht mit einem Bugstrahlruder ausgerüstet:
-    aus Sicherheitsgründen (zusätzliche Öffnung im Rumpf),
-    weil die Segeleigenschaften beeinträchtigt werden,
-    aus Gründen des "sportlichen" Ehrgeizes,
-    weil ein erheblicher Installationsaufwand und damit Kosten verbunden sind.

                                                                                                                                        Okt. 2016