Segeln mit Yachten
                            

                                                                                        17.   Autopilot,  Windsteueranlage



1.    Autopilot   

Verwendung
Einen Autopiloten benötigt man, damit man das Ruder kurz mal verlassen kann.
Man wird ihn besonders unter Motor einsetzen, denn die laufende Maschine liefert ausreichend Strom.
Anders sieht es unter Segeln aus, wenn der Autopilot aus der Batterie versorgt wird.
Wer unter Autopilot anstatt unter Windsteueranlage fährt, wird immer Probleme bekommen,
selbst bei hohen Batterie-Kapazitäten.
Denn Autopiloten sind kaum einzuschätzen; bei Wellengang z. B. steigt der Stromverbrauch steil an,
weit über die Angaben der Hersteller.

Erfahrungsbeispiel: s. bei Windsteueranlage.

An-Deck – Geräte
-     Bei Pinnensteuerung heißen sie "Autopiloten" (Schubstangen-Geräte).
          Kraftübertragung durch ausfahrbares Gestänge (evtl. Spindelkonstruktion)   
-     Bei Radsteuerung nennt man sie offiziell "Rad-Piloten" (wheel-pilots)
          Kraftübertragung früher mittels Riemenscheibe, neuere Geräte werden als Einheit direkt am Steuerrad montiert.  
         
Unter-Deck – Geräte
Das Ruder wird durch einen Antrieb ("drive unit") bewegt.
Das ist entweder eine Hydraulik-Anlage oder ein Elektromotor unter Deck.        
Die Kraftübertragung setzt bei Unter-Deck-Geräten in der Regel am Quadranten des Ruders an.

Zugehörige Elektronik bzw. Bedienteile
 -   Bediengerät (control head): hier wird der Kurs eingegeben.
 -   Fluxgate-Kompass
 -   Ruderlage-Rückmelder ("rudder feedback")
          Die Daten des Kompasses und des Ruderlage-Sensors werden in einem
 -   Rechner ("junction box") ausgewertet und in Impulse umgesetzt, welche den E-Motor in Gang setzen.
 -   Radantrieb oder Schubstange

Fluxgate-Kompass, Installationshinweise
-    1m entfernt von Kompass, Magneten, Leitungen, UKW, Motor
-    zwischen 30 und 50 % der Schiffslänge von hinten gemessen; darf  jeweils um die Hälfte überschritten werden.
-    schiffsmittig in Querrichtung (40 und 60 %); darf etwas überschritten werden
-    in Höhe der Wasserlinie
-    Befestigungsplatte bugwärts
          Nach Auskunft  von Raymarine geht es auch anders; denn die Kallibrierung löst das Problem.
 
Hersteller von Autopiloten
     -    Raymarine (Autohelm)   
     -    Simrad (Robertson)  
     -    B & G (früher Brooks and Gatehouse)
     -    Furuno     
     -    Plastimo (Navman)

Zusatz 2007: Simrad wurde aufgekauft und hat gegenwärtig Probleme.
Ich würde inzwischen grundsätzlich Raymarine wählen.

Stromverbrauch
Der Seegang verändert die Kursrichtung unablässig: das Schiff fällt ab – luvt an – fällt ab – luvt an  ...  
Ein empfindlicher Autopilot gleicht das ständig aus und verbraucht dabei sehr viel Strom.
Deshalb haben schon einfache Autopiloten einen Regler, der die Empfindlichkeit herabsetzt.

Die Elektronik macht auch hier vieles möglich. Es gibt z. B. "selbst lernende" Autopiloten.
Sie errechnen aus den Kursschwankungen einen Mittelkurs, oder geben im voraus Gegenruder etc.
In Verbindung mit einem GPS (und entsprechender Programme) kann der Autopilot eine eingegebene Strecke
alleine segeln.
Die Streckendaten können auch von einem (Seekarten-)Plotter erteilt werden.
Aber alles hat seinen (hohen) Preis!

Strecken-Eingabe
-    Es gibt (käufliche) Sammlungen von Wegpunkten. Sie ersparen das mühsame Herausmessen aus den Seekarten.
Wenn viele Skipper gleichzeitig diese Wegpunkte benützen (das ist der Fall), kann es zu Kollisionen kommen,
weil jede Yacht den gleichen Wegpunkt ansteuert.
-    Wer eigenhändig die Wegpunkte erstellt, bekommt ein weit genaueres Wissen um die bevorstehende Strecke.
                                                                                                                                       Stand: 2006
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Summertime
-    Ich bin von einer Windsteueranlage überzeugt.
          Der Autopilot braucht daher nur kurzfristig eingesetzt zu werden.
          Hydraulik ist deshalb nicht nötig.
-    Eine Unter-Deck-Einheit wäre ideal: weniger korrosionsanfällig, wesentlich stärker.
          Sie ist aber zu teuer; deshalb ein elektrischer Radantrieb.



2.   Windsteueranlage (auch Selbststeueranlage im Gegensatz zu "Autopilot" )

Einsatz
     Vor meinem ersten Törn quer über die Nordsee lernte ich in Thyborön einen Dänen kennen.
     Wir hatten das gleiche Ziel: Peterhead.
     Wir vereinbarten Funkkontakt.   
     Sein Schiff war mit einem Autopiloten und großer Batteriekapazität ausgerüstet (500 Ah),
     ich hatte (und habe) 80 Ah, aber zusätzlich eine Windsteueranlage (Aries).
     Nach 48 h waren die Batterien des Dänen leer. Dabei waren die Wind- und Seegangsbedingungen durchaus moderat.
     Er musste notgedrungen per Hand weitersteuern.
     Wir dagegen erreichten das Ziel, fast ohne am Steuerrad gedreht zu haben.

Wer einen Autopilot über lange Strecken einsetzt, braucht ungleich mehr Batteriekapazität,
am besten zusätzliche Batterien, und ein aufwendiges Versorgungssystem.
Wer mit einer windabhängigen Selbststeueranlage fährt, hat power-mäßig keine Probleme.
Hoch lebe die Aries!

Bei wenig Wind (unter 2 Bft.) arbeiten Windsteueranlagen nicht.
Die Windkraft reicht dann nicht mehr aus, um die Fahne zu kippen (und Steuerimpulse auszulösen).

Das gilt insbesondere bei achterlichem Wind, wenn Fahrtwind und wahrer Wind sich nahezu aufheben.
Natürlich geht es auch ganz ohne Windsteueranlage.
     Als wir 1982 mit unserer Vagabund, einer Friendship 28, von Holland  "außen rum" ins Mittelmeer segelten,
     hatten wir aus Geldmangel weder Autopilot noch Selbststeueranlage.
     Das bedeutete, durchgängig per Hand zu steuern, auch nachts, z. B. über die Biskaya, 6 Tage lang.
     Zum Glück waren wir zu viert, so dass der Rudergänger nur jeweils 2 Std. durchhalten musste.
     Aber es war dennoch sehr, sehr anstrengend.
     Ganz anders auf unserem Törn nach Island 2010, hinwärts zu zweit, auf dem Rückweg zu dritt:
     Die Aries nahm uns nahezu durchgängig das Steuern ab.
     Wir konnten uns ganz auf die Überwachung konzentrieren, konnten auch allein als Wachgänger die Segel
     verändern, weil wir nicht ans Steuer gefesselt waren.

Funktionsweise (am Beispiel Aries)
Angenommen die Yacht fährt nach NW, der scheinbare Wind kommt genau aus Nord.
Die Windfahne der Aries wird nun genau in Windrichtung (scheinbarer Wind) gestellt (durch Ausprobieren).
Die Windfahne ist so gelagert, dass sie seitlich kippen kann.
Sie wird durch ein Gegengewicht in der Senkrechten gehalten.
Wenn das Schiff vom Kurs abweicht (z. B. wenn es abfällt), wird die Windfahne der Selbststeueranlage durch den
Winddruck gekippt. Die kippende Windfahne erzeugt einen Zug (Kraft), der durch eine Spindel auf das Pendelruder
im Wasser übertragen wird. Dieses wird gedreht.
Der nun auf das gedrehte Pendelruder auftreffende Wasserstrom möchte das Ruder nach hinten schieben.
Es ist aber festgehalten und kann nur seitwärts ausweichen: es wird deshalb seitlich ausgelenkt.
Die Auslenkung wird mit Hilfe von Leinen auf Pinne (oder Steuerrad) übertragen:
     die Pinne wird nach einer Seite gezogen, im Beispiel nach Luv.
     Ein Steuerrad würde mit Hilfe einer Trommel entsprechend gedreht werden.)
Dadurch fährt das Schiff zurück auf den alten Kurs.
Und das Spiel beginnt von neuem.

Auswahl
Erschwinglich sind in Dtld. zwei Systeme:
     -    Windpilot      Hersteller in Hamburg
     -    Aries            Herstellung mittlerweile in Holland    www.ariesvanegear.com
                                 Vertretung in Dtld.:                         www.shipshop.de    
Ein weiteres System:
     -    Monitor        Sie ist zur Seite wegklappbar.
                             Hersteller: Scanmar International       www.selfsteer.com

Autor des Buches "Autopiloten und Wind-Steuersysteme" (Pietsch-Verlag) ist Herr P. C. Förthmann.
Herr Förthmann ist Hersteller der Windpilot-Anlage.
Die Aries ist mit Anschlagpunkten für das Pendelruder konstruiert, damit bei Austauchen des Hecks
und Wieder-Eintauchen das Ruder geführt wird. Diese fehlen bei der Windpilot-Anlage.
Auf eine diesbezügliche Frage an Herrn Förthmann bei einem persönlichen Besuch erhielt ich nur
eine ausweichende Antwort. 
Wenn die Windpilot auf ein Steuerrad geführt wird, wird sie über einen Radmechanismus angekoppelt.
Dieses Rad kann man festsetzen.
Genau dies funktionierte bei einem holländischem Segler auf seinem Weg nach Kapstadt
ab einer gewissen Windstärke nicht. 
Vermutlich ist es aber ein generelles Problem, wenn man auf ein Rad umlenken muss.

Wilfried Erdmann segelte und segelt mit einer Aries.
    Letzten Endes war sein Urteil für meine Wahl ausschlaggebend.  
    Lesenswert: "Selbststeueranlage"                               (auf www.wilfried-erdmann.de)
 
Susanne Huber-Curphey segelt ebenfalls mit Aries.
    "2018 – I can give ARIES my best approval, in strength and quality and durability under any possible wind
    or sea condition. She will steer your boat better than you can do it yourself.
    By now I’ve clocked over 200.000 miles, most of them single-handed and steered by ARIES.
    My faithful ARIES self steering gear is called ‘Miss Aries’."
                                                                                                https://www.ariesvanegear.com/saltystories
    Ausführlich unter    https://www.ariesvanegear.com/susanne-huber-curphey
 
Hinweise zur Installation
Trotz des guten Rufs der Aries-Anlage ließ sie mich mitten im Sturm (Skagerrak, Bft. 9 aus E) im Stich;
sie kippte nach hinten über das Heck ins Wasser. Schuld war eine nicht haltende Klemm-Verbindung.
Bei weniger Wind gab es vorher auch schon Probleme: Die Umlenkrollen waren mit dünnen Leinen befestigt.
Eine dieser Leinen wurde durch Schamfilen zerstört.
Deshalb:
     -    Alle Verbindungsstellen bei Übernahme und zu Beginn jeder Saison überprüfen.
     -    Klemmverbindungen evtl. durch Schraubverbindungen austauschen; Kontermuttern!
     -    Umlenkungen so verwirklichen, dass nichts schamfilen kann.

Grundsätzlich:
-    Anlage möglichst reibungsarm gestalten; z. B. hochwertige Rollen verwenden.
-    Alle Achsen, Gelenke, Rollen ab und zu einsprayen.
-    Möglichst ohne Schlupf installieren:  dehnungsarme Leinen einsetzen.
        Falsch ist, "Spiel" in der Anlage zu tolerieren.
             Besonders bei Langkielern ist dies zu vermeiden.
             Wenn ein Langkieler einmal einen Weg eingeschlagen hat, ist er kaum mehr umzustimmen.
-    Die Leinen müssen auf ihrem Weg zu einer Pinne normalerweise gekreuzt werden.
     Kreuzungsfreie Leinenführung:    s. Summertime, nächster Absatz

Praktische Tipps
     s. II. Praxis / 10. Aries - Windsteueranlage

                                                              - - - - -

Summertime
Summertime hat eine Radsteuerung, war aber ursprünglich mit einer Pinne ausgestattet.
Als Ankoppelung für die Aries dient nicht das Steuerrad, sondern die ursprüngliche Pinne, die verkehrt herum,
also nach hinten zeigend, aufgesetzt wurde.
Das hat den Vorteil, dass die Steuerleinen nicht umgelenkt werden müssen.
Vielleicht kann man auf anderen Schiffen die Notpinne in gleicher Weise einsetzen bzw. sie entsprechend umgestalten.

Videolink  
    Summertime unter Aries, Bft 6               https://youtu.be/YQ02lD69hnI
 
                                                                                                                              März 2016, überarbeitet 2020