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9. Astronomische Navigation

9. Astronomische Navigation

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Hauptkategorie: II. Praxis
Kategorie: 9. Astronomische Navigation

                                                       9.   Astronomische Navigation

 

  

                               Einfach     
                                 1.   Überblick
                                 2.   Nordsternbreite
                                             Begriffe
                                 3.   Sextant
                                             Begriffe
                                 4.   Mittagsbreite
                                
                                 Für Fortgeschrittene 
                                 5.   Umrechnung Zeit in Bogenmaß                                
                                 6.   Mittagslänge, Mittagsposition (Mittagsbesteck)                             
                                 7.   Standortbestimmung  aus 2 Messungen                             
                                              Begriffe          
                                        
                                 8.   Tagbogen-Verfahren   

                                                           - - - - -

 
1.   Überblick

Eigentlich wurde das Zeitalter der Astronavigation abgelöst durch die Satelliten-Navigation. Denn auch mit einem Hand-GPS kann man weltweit seine Position feststellen.
Bei einem Gewitter kann es allerdings passieren, dass die gesamte Elektronik, also auch der Hand-GPS, ausfällt. Man müsste ihn wenigstens in eine Metallkassette gesteckt haben.
Wenn man ehrlich ist, ist es einfacher, genau dies zu tun, als sich das Wissen der Astro-Navigation anzueignen.
Dieses Wissen ist allerdings auch Prestige-Können eines Kapitäns.
Wer eine Yacht hat und Hochsee-Segeln betreibt, will wissen, wie man mit einem Sextanten die eigene Position auf See bestimmt. Das erst macht ihn zu einem wirklichen Kapitän.   

-     Sextant
Es muss kein hochwertiger Sextant sein, ein Kunststoff-Sextant tut es. Die Abweichung ist nicht so groß, wie gerne dargestellt wird.
Preise (Nov. 2018):
-    Davis, „MK 15“ (Kunststoff)                                         ab  ~ 235,- €
-    Davis „MK 3“    (Kunststoff)                                                    71,50 €
        Mit dem preiswertesten Sextanten von Davis allerdings habe ich keine Erfahrung.

-    Cassens & Plath, „Professional“  (Messing)                    ab  ~ 900,- €
-    Künstlicher Horizont, Libellenaufsatz (Cassens & Plath)     ~ 850,- €

Wer sich eingehend mit der Astronavigation beschäftigt, wird einen hochwertigen Sextanten erwerben. Er kann zusätzlich mit einem Künstlichen Horizont („Libelle“) ausgerüstet werden. Dieser ist in der Nacht notwendig, denn dann ist die Kimm (Horizont) nicht exakt zu erkennen, auch wenn es so scheint.
Erst mit dieser Zusatzausrüstung sind Messungen des Nordsterns (Nordsternbreite) oder anderer Gestirne machbar.

-     „Sonne schießen“ (Abstand  Kimm – Sonnenunterrand  messen)
Dazu muss man wissen, wie man mit einem Sextanten umgeht: Messung, Fehlerberichtigungen.

Für die Auswertung der Messungen gibt es verschiedene Möglichkeiten (in ansteigender Schwierigkeit):

-     Rechner
Am einfachsten ist, sich einen Rechner mit einem astronomischen Rechenprogramm zu kaufen.
Gute Programme enthalten alle astronomischen Berichtigungswerte.
Man misst die Höhe eines Gestirns, gibt die Werte ein, misst 4 h später erneut und erhält seine Position.
Nachteilig ist, dass man mindestens 4 h warten muss, um einen brauchbaren Standort zu bekommen.

    Dieser lange zeitliche Abstand wäre beim Tagbogenverfahren nicht notwendig.
    Das Verfahren wurde von Dr. Ralf Lampalzer, meinem Sohn, erfunden und 1988 veröffentlicht.
    Das Programm konnte mit Rechner von ihm bezogen werden. Man hat mehrfach innerhalb einer Stunde
    gemessen, die Werte eingegeben, und man erhielt die eigene Position.  
    Konnte!
    Das Verfahren müsste neu programmiert werden. Denn mittlerweile haben sich Rechner und
    Programmiertechnik weiterentwickelt.
    Näheres unter „Tagbogenverfahren“.    

-     Nordsternbreite
Die Messung des Nordsterns ergibt unmittelbar die Breite des Beobachters. Es ist ein leicht zu durchschauendes Verfahren.
Leider benötigt man den eben erwähnten „Künstlichen Horizont“, um den Nordstern zu „schießen“.

Die klassische Methode, um die eigene Position zur Mittagszeit (Kulmination) zu bestimmen (weil einfach und etwa in einer Stunde abzuarbeiten) ist die …

-     Mittagsposition (Mittagsbesteck)       
Auch ohne Rechner lässt sich relativ einfach die eigene Position bestimmen, und zwar wenn die Sonne kulminiert, d. h. am Schiffsort im höchsten Punkt ihrer Bahn steht.
Die „Mittagsposition“ ergibt sich aus zwei Teilen: Mittgsbreite und Mittagslänge

      -    Mittagsbreite ( auch Mittagshöhe)
Wenn die Sonne am Schiffsort kulminiert, steht sie  auf der Nordhalbkugel der Erde an diesem Ort genau im Süden.
Der Höchstand der Sonne ist mit dem Sextanten relativ leicht zu ermitteln:
    Man misst mit dem Sextant den Winkel zwischen Horizont und Unterrand des Gestirns zum Zeitpunkt
    der Kulmination (Höchstand), berichtigt diesen Wert um die notwendigen Korrekturen,
    schlägt die Deklination der Sonne (s. Begriffe) im aktuellen Nautischen Jahrbuch (NJ) nach und berechnet
    nach einer einfachen Plus-/Minus-Formel den Breitengrad, auf dem sich die Yacht befindet.     
    (Das NJ kann bei jeder Buchhandlung, den Yachtausrüstern oder bei HanseNautic bezogen werden.
    Die Werte wiederholen sich alle 4 Jahre, sagt Clark Stede. Deshalb sollte man das Nautische
    Jahrbuch aufheben.)

Mit der Mittagsbreite mussten die Seeleute sich Jahrhunderte lang zufrieden geben,     
denn um die Länge eines Schiffsorts zu bestimmen, bedarf es einer sekundengenau gehenden Uhr.
Und daran scheiterte es.
    
     -    Mittagslänge
Benötigt wird eine sekundengenau gehende Uhr. Und um auftretende Fehler zu kompensieren, ein Zeitzeichen. Dieses erhält man auf Kurzwelle.
(Zeitzeichensender z. B. USA, Fort Collins, zu jeder vollen Stunde auf 2,5 MHz, 5 MHz, 10 MHz, 15 MHz, 20 MHz.)
Also braucht man zusätzlich einen einfachen Kurzwellenempfänger.

Mit Hilfe zweier höhengleicher Sextantmessungen knapp vor und hinter der Kulmination der Sonne und deren zeitlicher Mitte kann man exakt bestimmen, wann genau am eigenen Ort Schiffsmittag ist, die Sonne also am höchsten steht.
In Greenwich, am Null-Meridian kulminiert die Sonne um exakt 12.00 Uhr UTC. Aus dem Zeitunterschied von der Mittagszeit der Sonne in Greenwich (im Nautischen Jahrbuch nachschlagbar) und der lokalen Mittagszeit lässt sich die Länge der eigenen Position errechnen.

-    Mittagsposition (Mittagsbesteck)    
Es ist die Kombination aus Mittagsbreite und Mittagslänge in einem Arbeitsgang.
Man erhält die Mittagsposition mit Hilfe von drei Messungen am Schiffsmittag, kurz davor und in gleichem Abstand kurz dahinter.

    Völlig stressfrei, weil ohne Zeit- und Messdruck, würde man die Mittagsposition mit dem     
    Tagbogenverfahren erhalten.
    Die Mittagsposition ist hier kein Spezialfall, nur die Umstände sind besonders günstig.

Fast alle Einhand-Segler dürften bis zur Erfindung von GPS und Seekartenplotter ausschließlich mit dem Mittagsbesteck navigiert haben. Das beweist schon ihre Streckenaufzeichnung in Form von Etmalen (= die zurückgelegte Meilenzahl von Mittagsposition zu Mittagsposition).


Literatur
-   Helmut Knopp, Astronomische Navigation, Busse Seewald
-   Mary Blewitt, Praktisches Navigieren nach Gestirnen, Klasing
        Leider wird dieses Büchlein nicht mehr aufgelegt.    
-   BSH, Nautisches Jahrbuch – Ephemeriden und Tafeln,  (jährliche Ausgabe)

Internet
-    Wikipedia
-    www.astronavigation.net  ("Volkers Crashkurs Astronavigation")
          Sehr anschaulich, sehr klar.
-    Davis Instruments Corp., „How to find your position with the Masters Sextant“
          https://www.davisinstruments.com/product_documents/marine/manuals/00026-710_IM_00025.pdf

                                                                              - - - - -                                            

                                              
2.   Nordsternbreite

Wie findet man den Polarstern?
Wenn man die Hinterachse des Großen Wagens (auch: Großer Bär) 5 x verlängert, stößt man auf den Polarstern.
Er ist gleichzeitig der Deichselstern des Kleinen Wagens (Kleiner Bär).

Wikipedia:
                  

 
Nordsternbreite
Das Verfahren ist sehr anschaulich geschildert bei
        https://yachtschule-dreyer.de/images/sampledata/asimages/kurse/Astrokurs.pdf

Die „Nordsternbreite“ ist einfach zu durchschauen.
Die Messung des Nordsterns mit dem Sextanten ergibt unmittelbar die Breite des Beobachters.
 
Wikipedia skizziert das grundsätzliche Verfahren, das für alle Sextant-Messungen gilt:   
    

       *: Sonne (aufgrund der – nahezu unendlich weiten – Entfernung ist die Blickrichtung
             für Beobachter in Z und O parallel!)
        Z: Ort, über dem die Sonne im Zenit steht
        O: unbekannter Standort des Beobachters
        O′: Menge der möglichen Standorte des Beobachters nach erster Messung


Zur besseren Deutlichkeit sollte man auf die Originalseite von Wikipedia gehen und die Vergrößerung anklicken.

Nun soll nicht die Sonne gemessen werden sondern der Nordstern (Polarstern).
An die Stelle der Sonne (in der obigen Skizze) tritt der Nordstern.
Der Nordstern steht genau über dem Nordpol. Immer! Am nächtlichen Himmel kreisen die Sterne um ihn, er ruht.
Z in der obigen Skizze wird damit zum Nordpol.
 
Von der Skizze in Wikipedia zu meiner Skizze:
Wichtig für das Verständnis ist, dass die Lichtstrahlen eines Gestirn parallel auf die Erde auftreffen, weil es (nahezu)
unendlich weit entfernt ist.
  1. I)   Auf welchem Breitengrad man auch den Nordstern misst, immer ergeben der gemessene Winkel h (Höhe)
     plus die davon abhängige Zenitdistanz (ZD)  90 Grad.
                                   h  +  ZD  =  90                    
                                   h              =  90  -  ZD
        
        II)   Der Winkel ZD wiederholt sich am Erdmittelpunkt (Wechselwinkel an Parallelen).
        Auch hier liegt ein rechter Winkel vor.
                          ZD  +  φ (Phi)  =  90
                                     φ (Phi)  =  90 – ZD

        III)   I und II lassen  sich also gleichsetzen. Damit ist
                                           h     =    φ  (Phi)      


In Worten:
      Der gemessene Winkel entspricht dem Breitengrad des Beobachters.

Mathematischer fomuliert:
    Die Polhöhe ist gleich der geographischen Breite des Beobachters.
    

Es gibt zwei Probleme:
-      Der Nordstern steht nicht exakt über dem Nordpol. Er ist etwa um 1o davon entfernt.
Berichtigungstabellen findet man aber im Nautischen Jahrbuch. Dieses Problem ist demnach lösbar.
-      Das größere Manko: Den Horizont kann man nachts nicht exakt erkennen. Auch nicht bei Vollmond.
Man kann daher nachts eigentlich keine Sextant-Messungen vornehmen. Es sei denn, man verwendet einen „Künstlichen Horizont“.
Dieser Sextant-Zusatz, der den fehlenden Horizont einspiegeln kann, ist leider ziemlich teuer.
(s. 1. Überblick)

                                           - - - - -                                          

Begriffe
Verwirrend! Denn es gibt deutsche, englische, lateinische und griechische Fachbegriffe und dazu die jeweiligen Abkürzungen.

Die folgenden Definitionen aus Wikipedia
Geographische Breite     
 
   

                                                            Breitenkreise   

Definition der geographischen Breite                   
Die geographische Breite (auch … Breitengrad), φ oder B (lateinisch latitudo, englisch latitude, international abgekürzt mit Lat. oder LAT), ist die im Winkelmaß in der Maßeinheit Grad angegebene nördliche oder südliche Entfernung eines Punktes der Erdoberfläche vom Äquator. Die Breite erreicht Werte von − 90° am Südpol über 0° am Äquator bis + 90° am Nordpol. (Statt des Vorzeichens sind auch N und S für Nord und Süd zulässig, so dass z. B. die Breite des Südpols auch mit 90° S notiert werden kann.) …
•    Orte mit derselben Breite liegen auf einem Breitenkreis, auch Breitenparallel oder Parallelkreis genannt.
•    Zur Identifikation eines Punktes auf der Erdoberfläche – zur Bestimmung seiner geographischen Lage – wird zusätzlich zur Breite die Angabe seiner geographischen Länge (auch Längengrad) benötigt. …
Die geographische Breite wird traditionell … mit Grad, Minuten und Sekunden angegeben, wobei ein Grad 60 Minuten und eine Minute 60 Sekunden entsprechen (wie in der Zeitangabe). Bei Dezimalgrad werden Nachkommastellen angegeben. ...
Der Abstand zwischen zwei Breitenkreisen, deren geografische Breite sich um 1° unterscheidet, beträgt immer … 60 Seemeilen. …
Fehlt die Angabe N oder S, so stehen positive Werte für nördliche Breite und negative für südliche Breite.
Bei der Angabe von Ortskoordinaten ist die Breite stets zuerst anzugeben, dann erst die Länge: „B vor L, wie im Alphabet“. Bei den englischen Bezeichnung „Latitude“ und „Longitude“ funktioniert die alphabetische Regel ebenso. Ihren Grund hat diese Konvention in der Geschichte: die Breite konnte bereits Jahrhunderte vor der Länge ziemlich exakt bestimmt werden.
 
Zenit  (Z)
Der Zenit ist die nach oben verlängerte Lotrichtung eines Standortes. … Zusammen mit den Himmelspolen ist der Zenit die Basis für Astronomische Koordinatensysteme…

                            Beziehung zwischen Zenit, Nadir und Horizont

                                                                                                                            Bis hierher Wikipedia.

Höhe, Höhenwinkel (h, Altitute, ALT)
So heißt der mit dem Sextanten gemessene Winkel zwischen Horizont und Gestirn.
Claviez: … der Winkelabstand Horizont- Gestirn.

Zenitdistanz (ZD, Zenitwinkel, z; auch Phi, φ)
Der Zenit steht im der 90 o-Winkel zum Horizont.
Bei einer Gestirnsmessung wird der Winkel Horizont – Gestirn gemessen.
Der Winkel zwischen Höhenwinkel und Zenit  heißt Zenitdistanz.

Blewitt:    Die Zenitdistanz (ZD) ist der Komplementärwinkel der Höhe.
                 Höhe plus Zenitdistanz ergeben immer 90 o.
                  
         H plus ZD = 90

                                                                                       - - - - -

 
 
 3.   Sextant

                   3.1    Sextant
                   3.2    Messfehler-Berichtigung
                   3.3    Messen einer Gestirnshöhe
                   3.4    Beschickungen
                   3.5    Künstlicher Horizont
                   Begriffe

 

Wer sich ernsthaft mit Gestirnsmessungen beschäftigen will, sollte sich ein Lehrbuch zulegen.
Ich empfehle: Helmut Knopp, Astronomische Navigation

3.1   Sextant  
Der Sextant ist ein Winkel-Messgerät.
Plewitt: Sextanten werden so genannt, weil der Gradbogen an ihrer Unterseite ein Sechstel eines Kreises (60 o) groß ist.
Wikipedia (Bild):
-   Teile   
    Limbus                 Gradbogen mit Winkelskala
    Alhidade               beweglicher Zeigerarm                
    Index                    Zeigerstrich            
    Trommel               Einstellmechanismus zum Ablesen der Grade;
                                       eine Umdrehung der Mikrometerschraube verschiebt die Alhidade um 1 o
    Nonius                  Hilfs-Maßstab, vergleichbar mit Rechenschieber;
                                       er gestattet das Ablesen von Zwischenwerten     
    Indexspiegel         Spiegel auf der Alhidade und mit ihr beweglich
    Horizontspiegel    der feste, unbewegliche Spiegel (halb verspiegelt)
    Blendgläser          Schattengläser, verdunkelte Gläser
 

-   Funktionsweise           

Vor dem Fernrohr des Sextanten ist ein Spiegel fest angebracht (Horizontspiegel), der aber nur zur Hälfte verspiegelt ist. Die andere Hälfte ist “Fensterglas” und durchsichtig.
Wenn man durch das Fernrohr blickt, kann man daher z. B. eine Hälfte des Horizonts sehen.
Der zweite Spiegel ist weiter oben am Zeigerarm (Alhidade) angebracht und kann durch Bewegen des Zeigerarmes gekippt werden.
Bei einer "Winkelmessung" des Horizontes (mit 0 o) wird über den oberen Spiegel (Indexspiegel) das Bild des Horizontes in den unteren Spiegel geworfen, dort an der verspiegelten Seite (zur Hälfte) reflektiert und ins Auge des Beobachters geleitet.
Dieser sieht den Horizont zweimal: 1. Hälfte direkt, zweite Hälfte über die Reflexionen der Spiegel indirekt.
Insgesamt sieht man nun einen scheinbar durchgehenden Horizont; in Wirklichkeit besteht das Bild des Horizontes aus zwei Hälften.

Wenn man den Zeigerarm bewegt wird gleichzeitig der obere Spiegel gekippt. Der Betrag, um den bewegt wurde, ist als Winkel am Gradbogen ablesbar.
Nehmen wir an, die Sonne steht in etwa 30 Grad Höhe über dem Horizont.
Man würde zuerst Filter (Schattengläser) einfügen, um nicht das Auge zu schädigen.
Dann richtet man das Fernrohr auf den Horizont unterhalb der Sonne, Zeigerarm (Alhidade): 0 Grad.
Nun bewegt man den Zeigerarm, kippt also den  Indexspiegel. Die verspiegelte Seite zeigt nun aufsteigend den Himmel, bis die Sonne ins Bild kommt.
Man misst normalerweise den Unterrand der Sonne. Man “holt” die Sonne auf den Horizont: der Zeigerarm mit Indexspiegel wird so weit bewegt, bis der (eingespiegelte) Unterrand der Sonne scheinbar den (direkt sichtbaren) Horizont berührt.
Dann liest man am Gradbogen die gemessene Gradzahl ab, an der Mikrometerschraube die Minuten und an der Noniusskala die Zehntelminuten.

Anschauliche Bilder bei (www.volker-lotze.de):     www.astronavigation.net

 

-   Vollsicht-Sextant
         C. Plath, Handbuch:
         Die Verwendung des Vollsichtspiegels erleichtert Messungen bei Tag und ist eine große Hilfe für den
         ungeübten Navigator.
         Durch das speziell beschichtete Glas des Vollsichtspiegels überdecken sich das Bild des Horizonts
         und des Himmelskörpers, beide sind ungeteilt im ganzen Sichtfeld erkennbar. Dies erleichtert erheblich
         das „Herunterholen“ des Himmelskörpers und die Kontrolle der senkrechten Haltung des Sextanten.


Allerdings absorbiert der beschichtete Horizontspiegel einen Teil des einfallenden Lichtes. Deshalb ist er möglicherweise für Sternenbeobachtungen nicht mehr optimal.
Ich persönlich habe keinen Vollsicht-Sextanten. Das Herunterholen der Sonne hat mir niemals Schwierigkeiten bereitet.

-     Ablesen von Messwerten
 Grad         Der Zeigerarm hat über dem Gradbogen (Limbus) ein Fenster. Dort ist ein Messstrich angebracht.
            Der darunterliegende Wert zeigt die gemessenen Grade an.
            Liegt der Zeiger zwischen zwei Gradstrichen, gilt der kleinere Wert (rechts vom Strich).
            Die Zwischenwerte (Minuten) liefert die Messtrommel.
 Minuten    Der Nullstrich der Noniusskala ist die Markierung für die Minutenablesung. Liegt der Nullstrich  
            zwischen zwei Minutenwerten, gilt wiederum der kleinere Wert.
            Den Zwischenwert liefert die Noniusskala.
 Sekunden, Zehntel       Bei einer Schublehre kann man auf Hundertsel genau ablesen, beim Nonius
            eines Sextanten nur auf Zehntel. genau. Man liest auf der Noniusskala den Teilstrich ab, der mit
            einem Strich auf der Minutenskala der Messtrommel fluchtet.
 
                                                                               - - - - -           


3.2   Messfehler-Berichtigung

Indexberichtigung
(auch Indexbeschickung, IB): rechnerische Berücksichtigung kleiner Fehler
Der Fehler selbst heißt Indexfehler (auch Index-Error, IE)

Das ist zu tun:
Man stellt mit Hilfe des Zeigerarmes (Alhidade) und der Mikrometerschraube den Messwinkel des Sextanten auf  0o 0,0`. (Der Nullstrich der Nonius-Skala muss mit dem Nullstrich der Mikrometerschraube fluchten.)
Nun richtet man den Sextanten auf den Horizont. (Sextant lotrecht halten!) Die beiden Hälften des Horizonts (eine Hälfte direkt sichtbar, die andere Hälfte reflektiert durch Indexspiegel etc.) müssten eine durchgehende Linie bilden. Meist aber entsteht eine Stufe.
Mit Hilfe der Mikrometerschraube wird nun ein durchlaufender Horizont erzeugt.
Ein Blick auf den Zeigerstrich der Mikrometerschraube zeigt uns anschließend z. B. den Messwert   55,4`. Der Zeigerstrich am Limbus steht kaum merklich rechts von der Nullmarkierung, „unterhalb“ sozusagen. Der Sextant misst also um 4.6` falsch, zahlenmäßig zu wenig. (Indexerror IE also: - 4.6`).
Bei einer rechnerischen Berichtigung muss die Messung um diesen Wert aufgestockt werden.  Indexberichtigung (IB) also:  + 4,6`.
Generell:      
    Liegt die Anzeige „unterhalb“ der Nullmarkierung: negativer Indexerror.
    Liegt sie dagegen „oberhalb“ der Nullmarkierung, ist der Zahlenwert also höher als Null,
    muss um diesen Betrag bei der Korrektur vermindert werden.                             

„Negativer IE zu allen Ablesungen addieren, positiver IE subtrahieren.“
    ...  so steht es in den Lehrbüchern (und Lehrbeispielen). Ich halte dies eher für verwirrend.
Besser ist, den Vorgang zu durchschauen.

Fehlerquelle ist Kopfrechnen. Daher immer schriftlich oder mit Rechner!
        

-   Beispiel  einer Indexberichtigung
          Bei der Überprüfung (Horizontansicht) steht der Gradstrich auf 0o, die
          Mikrometerschraube  zwischen 1` und 2`, der Nonius fluchtet bei  .6
          Der Sextant misst also zu viel: Indexfehler (IE): 1.6

          Um diesen Betrag muss korrigiert, hier abgezogen werden.    
                  Indexberichtigung (IB):   - 1,6

    Dann Höhenmessung, z. B. Sonnenunterrand mit:   60o  45,3`
        
        Sextantablesung:    60o       45,3`       
                 IB                           -    1,6
        Kimmabstand        60o       43,7`

        
-      Einstellung der Spiegel
Wird der Indexfehler zu groß (M. Blewitt spricht von 3`, Knopp von 7`), sollten die Spiegel neu justiert werden.
Bei zu häufiger Betätigung leiern allerdings die Schrauben der Spiegelarretierung aus. Deshalb neige ich dazu, zumindest bei einem Kunststoffsextanten einen größeren IE zu tolerieren.

Eine Anleitung zur Justierung der Spiegel gibt das Handbuch zum Sextanten.

 

-     Pflege, Reinigung des Sextanten
Reinigen mit einem weichen Fensterleder. Mit Süßwasser leicht anfeuchten, mit trockener Ecke trocknen. Fingerabdrücke: Leder mit Spiritus anfeuchten.
Zahnkranz des Limbus mit Bürste reinigen (Lieferumfang).
Nicht fetten! Fett gefährdet die Messgenauigkeit.

                                                                                           - - - - -


3.3   Messen einer Gestirnshöhe (z. B.  Sonnenunterrand)

Vorgang
       -    Sextant: IE und IB  ermitteln  
       -    Alhidade auf 0,0 o.
       -    Gestirn grob auf die Kimm herunterholen: dazu Alhidade langsam nach vorn bewegen.
             Das Gestirn bleibt ständig sichtbar, bis es die Kimm erreicht.
             Sperrklinke einrasten lassen.
       -    Danach eine volle Umdrehung mit der Mikrometerschraube und eine Drehung in Gegenrichtung.
       -    Exakte Messung
             Rand des Gestirns exakt auf die Kimmlinie bringen. Pendeln: dabei Sextant
                 drehend hin und her bewegen = pendeln.
             Das Gestirn beschreibt im Sextanten einen Kreisbogen. Der tiefste Punkt des Kreisbogens soll
             gerade eben die Kimmlinie berühren.
       -    Uhrzeit festhalten, sekundengenau.
       -    Die „Sextanthöhe“ ablesen (Sextantablesung, unberichtigte Höhe).
       -    IE und weitere Korrekturwerte (Gesamtbeschickung) anbringen.
       -    Positionsberechnung


Wikipedia

                   

                   Messung des Sonnenunterrandes


Wikipedia: Animation – Funktionsweise eines Sextanten.
                   Sehr anschaulich!


-    Zeitnahme in der Praxis
Wenn zwei Personen zusammenarbeiten, ruft jener mit dem Sextanten im Moment der Horizontberührung ...
                 „Jetzt!“     
Der Partner an der Uhr notiert die Zeit der Messung, sekundengenau.

Wenn man allein ist, wird es schwieriger:
Gut funktioniert es mit einer zusätzlichen Stoppuhr.
Empfehlenswert ist vor der Messung zu einer vollen Minute „einzustoppen“.
Uhrzeit notieren!
Im Moment der Sextantmessung (Horizontberührung) hält man die Stoppuhr an.
Die Zeit auf der Stoppuhr plus die notierte Einstoppzeit ergibt die Zeit der Messung.

Eine gute Einführung gibt Wikipedia:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Astronomische_Navigation

                                                                                     - - - - -

 

3.4   Beschickungen (Korrekturen physikalischer Einflüssse)
Es gibt eine ganze Reihe physikalischer Einflüsse, die bei den Berechnungen beachtet werden müssen.

Höhe über dem wahren Horizont
Knopp: Der ... Kimmabstand Ka ist die Sextantablesung, korrigiert mit der Indexberichtigung.
Aber:
Der ... Kimmabstand eines Gestirns über der Kimm ist noch nicht die für die Rechnung benötigte Höhe über dem wahren Horizont. Um letztere zu erhalten, müssen eine Reihe von Korrekturen angebracht werden. Diese sind im Nautischen Jahrbuch ... zu einer Gesamtbeschickung (GB) zusammengefasst ...

Es handelt sich um folgende Einzelbeschickungen:
Halbmesser von Sonne und Mond, Kimmtiefe, Strahlenbrechung, Parallaxe.

Wikipedia
Der mit dem Sextanten gemessene Winkelabstand h zwischen dem sichtbaren Horizont (der sogenannten Kimm) und dem Gestirn muss mehrfach korrigiert werden, bevor er zur Berechnung der Position benutzt werden kann:

  •  Bei der Beobachtung von Sonne und Mond muss noch der halbe Durchmesser des Gestirns hinzugefügt oder abgezogen werden, je nachdem ob man die Unter- oder Oberkante beobachtet hat.
    Anm.:
    Die Höhe eines Gestirns ist auf den Gestirnsmittelpunkt bezogen. Der Radius der Scheibe von Sonne und Mond ist wegen wechselnder Erdentfernung veränderlich.
  •  Die Höhe des Beobachters über dem Meeresspiegel, die sogenannten Augeshöhe – sie macht die Kimm überhaupt erst sichtbar – lässt einen zu großen Winkel messen (die Kimmtiefe).
    Anm.:  Höhe des Beobachter-Auges; sie  verändert die Kimmentfernung.
              Ah                           1  m    2    3       4    5
                 Kimmentfernung    2 sm    3    3,5    4    4,5
  •  Die Lichtstrahlen der Gestirne werden in der Atmosphäre gebrochen. Diesen Effekt nennt man Refraktion ... und er ist umso stärker, je tiefer das Gestirn steht (je näher an der Kimm). Wenn die Sonne scheinbar untergeht, ist sie in Wahrheit schon etwa 0,6° tiefer. Die Refraktion nimmt für kleine Winkel stark zu (bei 5 Grad rund 10') und hängt von Lufttemperatur und -Druck ab. Deshalb vertraut der Navigator einer Messung bei Kimmabstand unter 10 Grad nur eingeschränkt.
  •  Die Formel ζ  (Anm.: Zenitdistanz, ZD) = 90° − h gilt nur für unendlich weit entfernte Objekte. Der dadurch verursachte Fehler heißt Horizontalparallaxe. Sie ist bei der Astronavigation mit Sonne und Fixsternen vernachlässigbar, aber nicht für die Planeten (Korrekturen bis etwa 0,5′) und besonders beim Mond (bis zu 1° 02′).
    Werte für diese Korrekturen finden sich ... als Tabellen im nautischen Almanach ...

Bobby Schenk vereinfacht die Gesamtbeschickung des N.J. noch einmal (bei 2 m üblicher Augeshöhe auf Yachten):
GB Sonnenunterrand        gemessener Winkel        Gesamtberichtigung
                                                   ab  20 o                          +  11`
                                                   ab  25 o                          +  12`
                                                   ab  40 o                          +  13`
Mit diesen wenigen Zahlen lässt sich eine Höhenwinkelmessung der Sonne ausreichend berichtigen.

Zusammenfassung
  
                    Sextantablesung  +  IB  +  GB  =  wahre Höhe

Beispiel:  
Sextantablesung: 60o  45,3`,   Ah 2 m,  IE  – 1,5 `   
                    Gesucht:  Wahre Höhe ?
                    
    Sextant:                                        60o       45,3`  
    IB                                                          +   1,5
    Kimmabstand                              60o       46,8`      

    GB nach NJ                                                          GB nach Schenk  
   
GB  (60 Grad, 2 m Ah)                     +   15,5          (60o      46,8`)        
    Zus.beschickung für Juni                  -      0,2             +       13`
                                                       60o       62,1`       
           60 ` =  1o                           +  1    -   60                                
    Wahre Höhe (True Alt)             61o       02,1`         60o     59,8`

Das Ergebnis bei Schenk ist in diesem Falle um ~ 2` ungenauer. 1` entspricht 1 sm.
Schenk argumentiert, dass auf einem schwankendem Schiff die Fehler beim Messen deutlich größer sind und das Wohlbefinden des Skippers (Seekrankheit) wichtiger als ein scheinbar exaktes Ergebnis.

                                                                                        - - - - -

 

3.5   Künstlicher Horizont     
Er wäre nötig, um nachts zu messen.
Es gibt entsprechende Vorrichtungen (Libelle) bei hochwertigen (teuren) Sextanten als Zusatzausstattung.
Damit aber sprengt es meinen Ansatz der „Einfachheit“, was durchaus gleichbedeutend ist mit „nicht zu teuer“.

Wikipedia:
Ein künstlicher Horizont … ersetzt den natürlichen Horizont, der die Grenzlinie zwischen der sichtbaren Erde und dem Himmel darstellt, wenn man den Horizont nicht sehen kann  …
Die Darstellung des natürlichen Horizonts ist ohne weitere Hilfsmittel nur bei guten Sichtbedingungen auf dem Meer möglich, wo die Begrenzungslinie zwischen Himmel und Wasser (Kimm) als Horizontmarke dient. Bei schlechten Sichtbedingungen oder bei Beobachtungen auf dem Lande, wenn die Sicht auf die Kimm durch Häuser, Berge oder Vegetation versperrt ist, braucht man einen künstlichen Horizont in Gestalt einer exakt horizontal liegenden, spiegelnden Fläche (Quecksilber oder schwarz gefärbte, polierte Glasplatte oder Öl), die als Hilfsmittel zur Darstellung der Lotrichtung dient). Die Glasplatte (der künstliche Horizont) ruht in einer Metallfassung und wird durch drei Stellschrauben unter Verwendung von zwei Setzlibellen horizontiert.
Bei der Höhenmessung geht es darum, das betreffende Objekt mit dessen Spiegelbild zur Deckung zu bringen. Dabei entspricht der Winkel zwischen dem direkten und dem am künstlichen Horizont reflektierten Strahl der doppelten Höhe, ist also zu halbieren. Das hat auch eine Halbierung eines möglichen Fehlers der Höhenmessung zur Folge. …

Zum Üben kann man selbst einen einfachen, künstlichen Horizont herstellen:
einen Teller mit Wasser:
Man bringt das Gestirn mit seinem Spiegelbild zur Deckung und erhält dadurch die doppelte scheinbare Höhe. Für die Berechnung: Wert halbieren. Vorher IB anbringen.

                                                                                        - - - - -

Begriffe

Nautisches Jahrbuch (NJ)
Wikipedia: Das Nautische Jahrbuch ist das amtliche Handbuch für die astronomische Navigation in der deutschen Hochseeschifffahrt.
Das Jahrbuch enthält die Ephemeriden von Sonne, Mond, den vier Navigationsplaneten (Venus, Mars, Jupiter und Saturn), des Frühlingspunktes sowie die festen Koordinaten der Navigationssterne für jeden Tag eines Jahres in einstündigem Abstand für Universal Time No.1 (UT1) … Unter Verwendung eines Sextanten und einer genau gehenden Uhr lässt sich aus diesen Daten die astronomische Ortsbestimmung durchführen….
Es ist in jeder Buchhandlung erhältlich.erhältlich.

Ephemeriden                     Wikipedia: Die Ephemeriden … sind die Positionswerte sich bewegender
                                            astronomischer Objekte bezogen auf ein jeweils zweckmäßiges
                                            astronomisches Koordinatensystem.

Nautical Almanach           Englisches Pendant zum Nautischen Jahrbuch

Augeshöhe (Ah)                Claviez: Die Höhe des beobachtenden Auges über dem Wasserspiegel.

Kimm                                 Claviez: Auf freier See die Linie, in der Himmel und Erde sich zu berühren
                                            scheinen, der sichtbare Horizont. Die Entfernung der Kimm vom
                                            Beobachter ist abhängig von dessen Augeshöhe und beträgt mit großer
                                            Annäherung  e = 2,075 * Wurzel Ah

Kimmtiefe (Depression; depression of the horizon; dip of the horizon, Dip)
                                           Claviez: Der Winkel, um den am Auge des Beobachters die Kimm unter dem
                                            scheinbaren Horizont liegt, der Winkel, den die Tangente an die
                                            Meeresoberfläche mit der Horizontalen bildet. Dieser Winkel ist abhängig von
                                            der Augeshöhe des Beobachters und atmosphärisch bedingter Strahlenbrechung.

Sextantablesung (Alt Sext)          der Wert, den der Sextant zeigt, ohne Korrektur

Indexfehler (Index-Error; IE)      Fehler bei der Messung; zeigt die Trommel z. B. 58`,
                                                       dann ist  der IE   – 2, die Indexberichtigung (IB)   + 2.

Indexberichtigung (-beschickung; IB)    s. Indexfehler

wahrer Horizont                          Knopp: Der mit dem Sextanten gemessene Kimmabstand ... ist noch nicht
                                                     die für die Rechnung benötigte Höhe über dem wahren Horizont.
                                                     Um letztere zu erhalten, müssen eine Reihe von Korrekturen angebracht
                                                     werden.    Nämlich die Beschickungen (s. Gesamtbeschickung).    

Kimmabstand (Ka)                       Knopp: Sextantablesung korrigiert mit der Indexberichtigung

Beschickung                                Berichtigung, Korrektur; im engeren Sinne die physikalischen
                                           
          Korrekturwerte einer Gestirnsmessung (nicht die Korrekturen am Sextanten)

Gesamtbeschickung    (GB)         alle physikalisch notwendigen Berichtigungen einer Gestirnsmessung
                                                       zusammengefasst in einem Tafelwert (s. Kimmabstand)  

Höhenwinkel, Höhe (h)  auch wahre Höhe (ho  True Alt)           
                              
                      Der Winkel, der vom Standort des Beobachters zwischen Gestirn
                                                     und Horizont im Sextanten gemessen wird nach Indexberichtigung (IB)
                                                     und Gesamtbeschickung (GB).Gesamtbeschickung:
                                                           Sextantablesung  +  IB  +  GB  =  wahre Höhe

                                                                                       - - - - -


Literatur
Knopp, Helmut        Astronomische Navigation, 1986
Blewitt, Mary          Navigieren nach Gestirnen, 1975
Claviez, Wolfram    Seemännisches Wörterbuch, 1973    

                                                                                      - - - - -

 


4.   Mittagsbreite (Mittagshöhe)

Wenn die Sonne kulminiert, steht sie  auf der Nordhalbkugel der Erde genau im Süden des Beobachters. In dieser speziellen Situation lässt sich die Breite der Beobachterposition leicht ermitteln:
    Man misst mit dem Sextant den Winkel zwischen Horizont und Unterrand des Gestirns zum Zeitpunkt
    der Kulmination (Höchstand), berichtigt diesen Wert um die notwendigen Korrekturen, schlägt die
    Deklination der Sonne (= „Breite“ ihres Bildpunktes; s. Begriffe) im aktuellen Nautischen Jahrbuch (NJ) nach
    und berechnet nach einer einfachen Plus-/Minus-Formel den Breitengrad, auf dem sich die Yacht befindet.     


Wann ist Schiffsmittag?
Dann, wenn die Sonne am Schiffsort kulminiert, also den höchsten Punkt der Sonnenbahn durchläuft.
Bekannt ist, wo sich das Schiff etwa befindet. Angenommen etwa am 35. Längengrad W, 10. November (2010).
Die Sonne kulminiert, wenn sich ihr Bildpunkt auf dem gleichen Meridian wie das Schiff befindet.
Die Länge des Sonnenbildpunktes wird im NJ mit Grt (Greenwicher Stundenwinkel) angegeben.
Man schlägt den 10. Nov. auf und sucht den Grt der Sonne, der möglichst nahe an 35o  herankommt.

Im Nautischen Jahrbuch steht für diesen Tag:
        UTC  14.00  / Grt 034o 01,0`          
        UTC  15.00  / Grt 049o 01,0`.
Die Sonne wird also zwischen 14 und 15 Uhr Weltzeit kulminieren, eigentlich unmittelbar nach 14.00 UTC.
Das würde für die Praxis genügen.

    Es lässt sich genau berechnen:
    Wie lange braucht die Sonne von 34o  01,0` nach 35o 00,0`?
        35o  00,0`  =   34o  60,0 `
                      -        34   01,0
                                      59,0 `
Für 360 o  braucht sie 24 h. Für 1 o also  ...  ? 
Zuerst müssen die Stunden in Minuten umgerechnet werden:   24 h * 60  =   1440 min.
                  1440 min  :   360  =  4 min
Die Sonne benötigt demnach 4 Min. für einen Längengrad (= 60 `). Für 59` noch etwas weniger.
                        4 min sind 240 sec.
             Für   1 Längen-Minute  also 240 : 60  =  4 sec.
             Für  59,0 ` braucht die Sonne  4 * 59  =  236 sec. = 3 min 56 sec

Um 14.00 UTC kulminiert die Sonne auf dem Meridian Grt 34o 01.0`.
Wenn unser Schiff wirklich auf 35o  stehen würde, würde die Sonne um 14 h 03 min 56 sec  UTC kulminieren.

    Mit Hilfe des Nautischen Jahrbuchs ließe sich die obige Rechnung umgehen:
    Es gibt die sog. Schalttafel (blaue Seiten), in der die Umrechnungen aufgelistet sind.
    Beim „Zuwachs Grt“ für die Sonne findet man unter 0o 59,0`      3 min 56 sec.

Messung in der Praxis
Etwa eine halbe Stunde vor dem geschätzten Schiffsmittag (Kulmination der Sonne, Meridiandurchgang) würde man sich mit dem Sextanten an Deck begeben.
Wenn man die Sonne auf den Horizont herunterholt und nach kurzer Zeit wieder durch den Sexanten sieht, stellt man fest, dass die Sonne nach oben wandert. Sie ist also auf dem Weg zum Kulminationspunkt.
Sie steigt zunächst relativ rasch. Wenn sie sich dem Scheitel nähert, verflacht die Tagbogen-Kurve der Sonne; sie ändert die Höhe kaum mehr.
In dieser Phase muss man ständig die Sonne durch den Sextanten betrachten und sie solange auf den Horizont herunterholen, also am Nonius nachdrehen,  solange ihr Bild über (!) dem gespiegelten Horizont im Sextanten steht. Ab dem Moment, wo die Sonne nicht mehr steigt, nichts mehr machen!
In dem Augenblick, in dem man den Unterrand  etwas unter dem engespiegelten Horizont im Sextanten beobachtet, beginnt die Kurve zu fallen; die Kulmination ist vorbei.
Wenn man alles richtig gemacht hat, hat man den höchsten Winkel, den Kulminationswinkel, im Sextanten festgehalten.
    Ablesen! IB (Indexberichtigung) und GB (Gesamtbeschickung) anbringen.

Breite berechnen:
Auf der Nordhalbkugel gilt im astronomischen Sommerhalbjahr, und wenn der Bildpunkt der Sonne nicht nördlich des Beobachtungsortes liegt, folgende Formel:
           Beobachterbreite   =   Zenitdistanz + Deklination (des BP der Sonne)
                    LAT (φ)         =          ZD        +      Dec (δ)      

 
Astronomische Zusammenhänge

Es gibt mehrere mögliche Konstellationen hinsichtlich Bildpunkt der Sonne (BP) und Beobachtungsort (O; Schiffsposition).

Fall 1:  
Sowohl der Beobachtungsort als auch der Bildpunkt liegen auf der Nordhalbkugel.
Man nennt diese Konstellation „gleichnamig“.
Es ist die im Sommerhalbjahr übliche Konstellation, wenn sich das Schiff auf der nördlichen Nordhalbkugel befindet.
    Rechenschema:   
                    Beobachterbreite   =   Zenitdistanz    +    Deklination
                            LAT (φ)        =         ZD            +     Dec (δ)      

Fall 2:
Wenn der Bildpunkt der Sonne im Winterhalbjahr auf die Südhalbkugel wandert, würde man – bei gleichem Beobachtungsort – von „ungleichnamig“ – sprechen.
Verfertigen Sie eine entsprechende Skizze und entwickeln Sie die Berechnungsformel.
Sie müssten auf folgendes Schema kommen:
                    Beobachterbreite    =    Zenitdistanz    -    Deklination
                            LAT (φ)         =          ZD            -      Dec (δ)      

M. Blewitt fasst beide Fälle zu einer einzigen Formel zusammen:

Fall 1 und 2:                      
                   Beobachterbreite    =   Zenitdistanz     +   gleichnamige   / - ungleichnamige   Deklination
                           LAT (φ)         =        ZD              +  gleichnamige / - ungleichnamige  Dec (δ)  

Fall 3
Wenn der Bildpunkt der Sonne zwischen dem Beobachter und dem oberen Pol steht, ergibt sich:
                         Breite        =  Deklination     -   Zenitabstand    
                        LAT (φ)     =     Dec (δ)        -       ZD
 
                                                                           - - - - -

 
Begriffe

Schiffsmittag    Der Begriff hat mit dem normalen „Mittag“ nichts zu tun.
    Schiffsmittag ist dann, wenn die Sonne sekundengenau im Süden steht.
    s. Kulmination und Meridiandurchgang

Beobachtungsort (meist gleichzeitig Schiffsort, Position)
    Er wird durch die Koordinaten ...
          -    Breite           φ  (Phi, fi) / LAT (englisch latitude)
          -    Länge           λ  (Lambda) / long / LON (englisch longitude)
    ... bestimmt.
    Vgl. Terrestrische Navigation / Grundwissen

Zenit (Z)
Plewitt:     Wenn eine Gerade vom Erdmittelpunkt durch deinen Standort und hinaus in den Weltraum gezogen würde,
                 so würde sie zu deinem Zenit führen.

Einen Zenit gibt ist in jedem Punkt auf der Erde. Es ist z. B. der Punkt senkrecht über dem Beobachter, in dem
eine in gegensätzlicher Richtung zur Schwerkraft gedachten Gerade die Himmelskugel trifft.    
In der folgenden Skizze von Wikipedia ist es die blaue Linie über dem Beobachtungspunkt, die zum Zenit des Beobachters weist.
Sie steht senkrecht auf der Beobachtungsebene.     
          
               Auch der Bildpunkt der Sonne hat einen Zenit ...

       *: Sonne
       Z: Ort, über dem die Sonne im Zenit stehtsteht
           Anm.:
            Z ist hier gleichzeitig der Bildpunkt der Sonne. Deshalb sollte dieser Punkt             
            besser oder zusätzlich mit BP (Bildpunkt) bezeichnet werden.

Für die weiteren Überlegungen ist wichtig, dass die Strahlen der Sonne quasi parallel auf die Erde treffen, weil die Sonne sehr weit entfernt ist.
Die beiden roten Linien entsprechen diesen Strahlen.
Der Beobachter würde aber nicht den angedeuteten Winkel mit dem Sextanten messen, sondern den Winkel zwischen Beobachtungsebene (der Ebene auf der das Männchen steht, in Verlängerung) und Sonnenstrahl z. B. des Sonnenunterrandes.
Der im Bild von Wikipedia ausgewiesene Winkel φ heißt „Zenitdistanz“ .

Bildpunkt (BP, Geographical Position, GP)
     Plewitt: „...der Bildpunkt (GP) der Sonne ... liegt dort, wo die vom Erdmittelpunkt zur Sonne gezogene Gerade die Erdoberfläche schneidet. ... „
Knopp: "Verbindet man ...  z. B. ... den Mittelpunkt der Sonne, mit dem Mittelpunkt der Erde, so trifft diese Verbindungslinie die Erdoberfläche in einem ganz bestimmten Punkt. Dieser Punkt heißt Bildpunkt."

     Weil die Sonne sich in 24 h um die Erde bewegt, wandert der Bildpunkt entsprechend schnell:
           40.000 km : 24 h = 166 6,6 km/h   : 60 = 27.77 km/ min  : 60  = 0.463 km/sec.
           In 4 sec  also 1.852 m   =   1 sm.

Plewitt: Nicht nur die Sonne, sondern alle anderen Gestirne haben ihre GP, deren Lage zu jedem beliebigen Zeitpunkt dem ... Nautischen Jahrbuch entnommen werden kann.

Bestimmung des Bildpunktes (BP) durch die Koordinaten    ...
      -     Deklination             "Bildpunktbreite", Deklination, Abweichung (Dec; δ) 
      -     Stundenwinkel        "Bildpunktlänge“, Greenwicher Stundenwinkel (Grt,
                                              Greenwich Hour Angle, GHA); Erläuterung später.

Zenitdistanz  (z, ZD)        Zenitabstand; Winkelabstand eines Gestirns vom Zenit.
    Gestirnshöhe (mittels Sextanten gemessen, berichtigt) plus Zenitdistanz ergeben 90 Grad
    Als Formel:
                      H     +  ZD   =  90 o
                                 ZD    =  90 o  –  H

Deklination der Sonne (Dec / Declination / Bildpunktbreite / Abweichung, δ (Delta))
Wikipedia: In der Astronomie bezeichnet … Deklination der Sonne … die geographische Breite, in der die Sonne im Zenit steht. …
Plewitt: Die Deklination der Sonne schwankt zwischn 23 o Nord in der Mitte des Sommers, wenn sie den Wendekreis des Krebses erreicht, und 23 o S in der Mitte des Winters am Wendekreis des Steinbocks. Im Frühjahr und im Herbst, während der Tag- und Nachtgleiche (wenn die Sonne den Äquator überquert), ist ihre Deklination 0 o.

Deklination eines Gestirns
Plewitt: Die Deklination eines Gestirns ist der Breitengrad (kurz „Breite“) seines GP. (Bildpunkt)
Die Deklination gibt die nördliche oder südliche Breite des Bildpunktes an und ist seine  Position  auf der Erdoberfläche: von 0 – 90 nach N (als „ + “)  und nach S (als „ - “).

Die Deklination der Sonne ( δ)  und der Stundenwinkel  (= „Länge“, Grt)  sind  im Nautischen Jahrbuch für jede Stunde des Jahres aufgelistet .
Aus einer Zusatztabelle („Schalttafel“) lässt sich der genaue Wert für jede Sekunde des Jahres bestimmen.

Kulmination, Meridiandurchgang
Wenn die Sonne für einen Beobachter den höchsten Punkt der Sonnenbahn erreicht hat, spricht man von der Kulmination der Sonne.
Auf Nordhalbkugel steht die Sonne in diesem Moment genau im Süden des Beobachters.
Schiff und Sonnenbildpunkt befinden sich in diesem Augenblick auf gleicher Länge, dem gleichen Meridian.
Deshalb spricht man auch vom Meridiandurchgang.
Wenn man in diesem Moment die Sonne „schießt“, ergeben sich bestimmte rechnerische Zusammenhänge (s. oben).

                                                                            - - - - -
  

 

5.     Umrechnung von Zeit in Bogenmaß  (Gradmaß)

-     Zeit  in Bogenmaß (Wikipedia nennt es Gradmaß)
    Die Erde dreht sich in 24 Stunden um 360o.
    1 h (Zeitmaß, Stundenmaß)   entsprechen      360o : 24   =  15o (Bogenmaß, Gradmaß)
          Eine Stunde (Zeit) sind also gleichbedeutend mit 15o (Strecke, die die Sonne zurücklegt.)

    Wieviel Minuten entsprechen 15o ?
               15o    sind 15 x 60´ =  900 ´ (Bogenminuten)
    1 min (Zeit, Zeitmaß, Stundenmaß)  entsprechen  900´ : 60          =  15´ (Bogenminuten; Gradmaß)
    1 sec (Zeit, Zeitmaß, Stundenmaß)  entsprechen  (15´ x 60) : 60   =  15´ (Bogenminuten !)

-   Bogenmaß in Zeit
   Nun rechnen wir in die andere Richtung:
   Wie lange braucht die Sonne, um die Strecke von 1o zurückzulegen?
      Dazu müssen wir die Grad in Bogenminuten umrechnen:
                360 x 60 = 21600 Bogenminuten
      ... und die 24 h in Zeitminuten:
                 24 x 60 = 1440 min    
      Die Sonne (eigtl. ihr Bildpunkt) legt also 21600 Bogenminuten in 1440 Zeitminuten zurück.
    
      Wieviel legt die Sonne in 1 (Zeit)-Minute zurück?
                21600` : 1440 min =  15`         
        Die Sonne legt in 1 Min. (Zeit)      15`(Bogenminuten) zurück.
                                In 4 Minuten ist das 1o  (Bogenmaß, Gradmaß)
        
    Diesselbe Rechnung für 1 (Zeit-)Sekunde:
            In 1 Min legt sie 15` zurück,
                  In 1 sec  = 15` : 60 s  =  0.25´ (Bogenminuten)
                  In 4 sec ist das               1` (Bogenminute)
            
    Zusammengefasst
        1o (im Bogenmaß)  entsprechen          4 min   (im Zeitmaß)
        1´                                                          4 sec
    
        1 h (Zeitmaß)         entsprechen         15o    (Bogenmaß)
        1 min                      entsprechen         15`    (Bogenminuten)
        1 sec                       entsprechen         15``   (Bogensekunden)

                                                                           - - - - -

 

Tabelle:     Umrechnung von Zeit in Bogenmaß

Stunden  =       o          Minuten  =     o   +   ´
      1 h     =     15 o         1 min    =     0 o   15 ´         31 min    =     7 o  45 ´
      2               30            2                  0      30           32                   8    00
      3               45            3                  0      45           33                   8    15
      4               60            4                  0      60           34                   8    30
      5               75            5                  1      15           35                   8    45
      6               90            6                  1      30           36                   9    00
      7             105            7                  1      45           37                   9    15
      8             120            8                  2      00           38                   9    30
      9             135            9                  2      15           39                   9    45
    10             150          10                  2      30           40                 10    00
    11             165          11                  2      45           41                 10    15
    12             180          12                  2      00           42                 10    30
    13             195          13                  3      15           43                 10    45
    14             210          14                  3      30           44                 11    00
    15             225          15                  3      45           45                 11    15
    16             240          16                  4      00           46                 11    30
    17             255          17                  4      15           47                 11    45
    18             270          18                  4      30           48                 12    00
    19             285          19                  4      45           49                 12    15
    20             300          20                  5      00           50                 12    30
    21             315          21                  5      15           51                 12    45
    22             330          22                  5      30           52                 13    00
    23             345          23                  5      45           53                 13    15
    24             360          24                  6      00           54                 13    30
                                     25                  6      15           55                 13    45
                                     26                  6      30           56                 14    00
                                     27                  6      45           57                 14    15
                                     28                  7      00           58                 14    30
                                     29                  7      15           59                 14    45
                                     30                  7      30           60                 15    00

     Beispiel:
        1 h  31 min  entsprechen  ... ?          (Ergebnis: 15o plus  7o 45´  =  22o  45´)
 
Wenn ...
           1 h (Zeitmaß)        15o    (Bogenmaß)    entsprechen,
   und  1 min                     15`    (Bogenminuten)
   und  1 sec                      15``   (Bogensekunden),
wenn also die Zahlenwerte gleich sind, dann kann man
die gleichen Zahlenwerte benutzen, auch wenn man die Benennungen ändert:
        Zeit-Minuten        lesen als Zeit-Sekunden,        
        die zugehörigen    ` (Bogenminuten)  lesen als `` (Bogensekunden) !
 
        
     Beispiel:
        -     24 h  35 min  10 sec   entsprechen  ...  ?

          (360o + 7o 30´ (für 30 min) + 1o 15´(für 5 min) + 2,5 ´´ =
          368o 45´ 02.5´´  =  8o 45´ 02.5´´

                                                                            - - - - -

Am Ende des Nautischen Jahrbuchs gibt es eine ähnliche Tabelle (blaue Seiten), in der die Umrechnungen für Sonne, Frühlingspunkt und Mond aufgelistet sind.
Sie heißt "Schalttafel". Die Angaben im Bogenmaß nennen sich dort "Zuwachs Grt".

Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Umrechnung von Zeit in Bogenmaß (und umgekehrt):
    -    Umrechnen wie oben vorgeführt
    -    Umrechnen mittels Rechner (dabei müssen einige Tasten gedrückt werden)
    -    Umwandeln mittels der obigen Tabelle oder der Tabelle im NJ.
Wenn man mathematisch nicht so beschlagen ist, halte ich die Umwandlung mittels Tabelle als die am wenigsten fehleranfällige Methode.

                                                                            - - - - -                  
 

     Beispiel:   
         -    9 h   43 min   30 s.   Umrechnen in Bogenmaß mit Tabelle:     

              9 h                           135 o  
                    43 min                 10 o     45 ´
                                 30 sec                   7 ´    30 ´´
                                              145 o     52 ´    30 ´´

     Beispiel Wikipedia:           
      -   Zum Beispiel bedeuten 1h 23m 45s (im Stundenmaß) und 20° 56' 15″ (im Gradmaß) dasselbe. ...
    
     Wir wollen das überprüfen:
        1 h                    entsprechen        15o
              23 min        entsprechen          5o    45´        
                    45 sec   entsprechen                  11´  15´´  
                                                            20o     56´  15´´  
    Beispiel:
   
-     An einem Ort mit der Länge 15o West  kulminiert die Sonne um  ... ?
    Länge 15o W: 
    Ergebnis des Nachschlagens: ... ?       
             15o W  entsprechen 1 h.    

    Kulminiert also die Sonne auf 15o W um 0100 UTC?
    15o W ist ein Meridian etwas westlich von Irland.
    Dort kann doch die Sonne nicht nachts um 0100 UTC (d. h. 1 h nach Mitternacht) kulminieren!

    Wo liegt der Fehler?
        Die Sonne kulminiert in Greenwich nicht um 00.00 UTC sondern um 12.00 UTC.
        Zu 12.00 UTC muss die Stunde addiert werden.
        Sie kulminiert also auf 15o W um 13.00 UTC.   

    Genaueres im folgenden Kapitel.
   
                                                                            - - - - -

Bisher wurden nur W-Längen in Bogenmaß umgewandelt.
Das Bogenmaß reicht bis 360o. Aber W-Längen enden bei 180o W.
Verfahren bei E-Längen: später.

                                                                             - - - - -


6.    Mittagslänge, Mittagsposition

6.1     Mittagslänge

Länge des Sonnen-Bildpunktes als Zeit
Noch einmal:
Grundlage von Zeitmessungen ist die Sonne und deren Lauf um die Erde in 24 Stunden.
Der Bildpunkt der Sonne wandert in 1 h um 15o nach Westen, in 24 h um 360o.
Es gibt demnach einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Position des Bildpunktes („Länge“) und der
Zeit:  
        15o  W  entspricht      1 h,    
        30o  W  entsprechen   2 h, usw.
Deshalb kann man geographische Länge auch in Zeit ausdrücken.
    s. vorhergehendes Kapitel: "Umrechnung von Zeit in Bogenmaß"
    
Sowohl die geographische Koordinaten als auch die Koordinaten des Bildpunktes der Sonne werden vom Greenwicher Meridian aus  gemessen. Aber ...

Greenwicher Stundenwinkel (auch "Greenwichwinkel"; Grt, tGr; Greenwich Hour Angle, GHA )
Der Betrtachter sieht auf den Nordpol. Die gelben Kreise symbolisieren die Sonne.
Der Greenwicher Stundenwinkel entspricht der Länge eines Gestirns, z. B. der Sonne (genauer: der mit der Erddrehung wandernden Länge des Sonnenbildpunktes).
Knopp: Der Greenwicher Stundenwinkel Grt ... eines Gestirns ist dessen Winkelabstand vom Meridian von Greenwich ...
Die Grt werden im Nautischen Jahrbuch für volle Stunden angegben. In Folge der Rotation der Erde ändern sie sich um etwa 15o pro Stunde.
Nautisches Jahrbuch: Der Greenwischer Stundenwinkel ändert sich um ungefähr 1o in 4 Zeitminuten. Deshalb muss seine Angabe in kurzen Zeitabständen erfolgen, um dazwischen liegende Werte ... berechnen zu können.

Greenwicher Stundenwinkel - Weltzeit
Vom Greenwicher Stundenwinkel (GHA / Grt) zu unterscheiden ist die Weltzeit (UTC).
Die Sonne kulminiert in Greenwich um 12.00 UTC. Der Stundenwinkel der Sonne (GHA/Grt) aber beträgt in diesem Moment 0o.
Eine Stunde später, also UTC 13.00, beträgt der Stundenwinkel der Sonne GHA/Grt 15o.
2 h später, also UTC 14.00, beträgt der Grt (GHA) der Sonne  30o.
usw.

90o  (GHA/Grt) legt die Sonne in 6 h zurück. Also kulminiert sie dort (in 90o W) um 18.00 UTC.
Überall dort, wo die Sonne kulminiert ist „Schiffsmittag“.
Das ist mit der lokalen Zeit einigermaßen übereinstimmend (s. Zonenzeit, Terrestrische Navigation), nicht aber mit UTC.
Diese verschiedenen „Uhren“ muss man auseinanderhalten.
            
Messprobleme für den Navigator
Die Tagesbahn der Sonne ist für einen Beobachter ein auf- und absteigender Bogen am Himmel. Der höchste Punkt dieses Tagbogens heißt "Kulmination". In den auf- und absteigenden Bogenteilen verändert sich die Position der Sonne in ihrer Höhe rasch. Aber die Sonne verweilt relativ lange im Scheitelpunkt (etwa 4 min), so dass zwar die Höhe gut gemessen, nicht aber die Zeit sekundengenau festgestellt werden kann.
Deshalb wendet man einen Kniff an: Man hält die Zeit für eine Höhe im aufsteigenden Teil des Bogens fest. Wenn die absteigende Sonne diese gleiche Höhe wieder erreicht, notiert man die Zeit erneut. Zeit der Kulmination ist dann die Mitte der beiden Zeiten (aus gleichen Höhen).

Uhr
Voraussetzung ist eine sekundengenau gehende Uhr. Man erhält Zeitzeichen über bestimmte Kurzwellen-Sender, z. B. von
                BBC auf  den  Kurzwellen:     9410  und  14 135  MHz (Stundensignal).
Man muss die Uhr, nach der man rechnet, entsprechend stellen oder den etwaigen Fehler rechnerisch berücksichtigen.
    


Transit vorherberechnen

Beispiel 1  (W)
Wann (in UT) kulminiert die Sonne  in W 20o 10 ` ?

-   Rechnung:
Die Erde dreht sich um 360o  in 24 h. Wie lange braucht sie für 1o ?  
    Den 360. Teil von 24 h.
    24 h sind 24 x 60 min = 1440 min.  Davon der 360. Teil:   1440 : 360  =  4 min
              1o  entsprechen      4 min   
    1´ ist der 60. Teil eines Grades;  4 min sind 4 x 60 sec = 240 s; davon der 60. Teil …        
              1 `  entsprechen     4 sec

20o ergeben   20 x 4 min  =   80 min (Zeitminuten)    =   1 h  20 min
10` ergeben   10 x 4 sec   =   40 sec.                                                      40 sec
                                                                                          1 h   20 min  40 sec

Um diesen Betrag kulminiert die Sonne gegen über Greenwich später.   (also „plus“)
        Kulmination in Greenwich: 12 h   00 min               UTC
                                                +     1 h   20 min   40 sec
                                                     13 h   20 min   40 sec  UTC      

-   Schalttafel des NJ
    Ausgehen in der Tabelle muss man vom Bogenmaß (o), und nicht von der Zeit (h, min).
    Man muss also von rechts nach links lesen.
    Der letzte angegebene Wert ist         14o 59,8`. Das reicht nicht.
    Man muss also überlegen: Wie komme ich auf 20o?
        20o sind z. B. 2 x 10o
    -   Nachschlagen bei 10o    ergibt      40 min + 0 s (sec).
            2 x  40 min  sind 80 min   =   1h  20 min.                 1h 20 min
    -    10´ (Bogenmaß!)    = 0o  10´.
          Dortiger Wert:          40 s                                              +              40 s
                                                                                              1h 20 min 40 sec
    Um diesen Betrag ... s. oben.
    
    Die Tücke der Tafeln besteht darin, dass man allzugerne Min (= Zeit) und ´ (= "Minuten" im Bogenmaß)
    verwechselt.
    Auch mit den Stellenwerten muss man aufpassen 10´ findet man bei 0o 10´.

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Der Korrektheit halber muss gesagt werden:
Die Sonne wandert nicht gleichmäßig.
        Deshalb müsste T noch um die Zeitgleichung (= equation of time, e)
        korrigiert werden. Im NJ als Tabelle: „Zeitgleichung, 12 Uhr UT".
        Für den 15. Juli 2010 wäre das  z. B.   - 5 min  59 s

            13 h  20 min  40 sec   entspricht:            13 h   19 min    100 s
                                                                                    -   5             59    
         Transit in 20o 10` W am 15. Juli 2010:        13 h   14 min      41 s

Die „Zeitgleichung“ ist nicht konstant und muss für jedes Jahr neu berechnet werden.
-----------

Beispiel 2  (E)
    Alles was östlich ist (östliche Längen), muss von UTC 12.00 h abgezogen werden.
    Wann kulminiert die Sonne in 30o  E?

    Rechnung:
        30o  entsprechen      30 x 4 min  =  120 min  =  2 h
        12.00 h – 2 h =  10 h
        Schiffsmittag (Ortskulmination) in  30o E  ist um UTC 10.00

    Nachschlagen:
        30o sind 3 x 10o.
        Wert für 10o   =   40 min.
        3 x 40 min sind 120 min  =  2 h
    

Praxis
In der Praxis genügt es, den Kulminationszeitpunkt einigermaßen zu schätzen und rechtzeitig mit den Messungen zu beginnen.

Mess-Vorgang
Entweder Transit (T, höchste Stelle der Kurve, Meridiandurchgang) vorherberechnen oder ½ Stunde vor dem geschätzten T mit den Messungen beginnen, alle 3 min Zeit und Höhen notieren.
Nach dem Durchgang (wenn die Sonne den höchsten Punkt erreicht hat) Sextant auf eine geeignete Messung zurückstellen (den Wert dieser Messung am Sextant einstellen) und warten bzw. immer wieder durch den Sextant die Sonne betrachten.
Wenn sich die Höhe wiederholt (der Unterrand der Sonne genau deckungsgleich mit dem Horizont ist),
Zeit notieren.
Die gemittelte Zeit der beiden Messungen (mit gleicher Höhe) ergibt die für die Längenberechnung wichtige Kulminationszeit.

                                                                                    - - - - -


Längenbestimmung

Zu Beispiel 1:
Datum: 15. Juni 2010
Angenommen man misst die aufsteigende Sonne um      13 h  12 min  20 sec
Und die absteigende Sonne mit der gleichen Höhe um    13     36         42
Man zählt zusammen und halbiert:                                     26 h    48 min    62 sec       : 2  =   13 h  24 min  32 sec
Das ist der sekundengenaue Meridiandurchgang in UTC  an der Schiffsposition.

Welcher geographischen Länge entspricht  13 h  24 min  32 sec UTC ?
Bei der Rückrechnung von der Zeit des Meridiandurchgangs (Transits, T) am Schiffsort zum Abstand Schiffsmeridian - Greenwichmeridian gibt es (wie immer) zwei Wege:
    -    Umrechnung des zeitlichen Abstands in das Bogenmaß; dabei bedenken, ob die Kulmination vor oder nach
    der Kulmination in Greenwich erfolgt und den  errechneten Abstand nach W oder E abtragen.
    -    Den Abstand über den Stundenwinkel der Sonne (Grt im NJ, GHA) zu bestimmen.
    Dann muss man im NJ nachschlagen, auf welcher Länge sich der Bildpunkt der Sonne zum Zeitpunkt
    der Messung (= Schiffsposition) befindet.

-   Nachschlagen
Einfacher ist dieser Weg.
Wie groß ist der Grt/GHA der Sonne am 15. Juni 2010 zum Kulminations-Zeitpunkt 13 h  24 min  32 sec?
Nautisches Jahrbuch:
     Di, 15. Juni, SONNE, UT1 13.00:                                    Grt  014o   52,9 `
     Schalttafel (blaue Seiten im NJ):  24 min, 32 s                        6o    08,0 `
                                                                                                   20o   60,9`   =   21o  00,9 `  (Grt/GHA)  
Schiffsposition:  21o 00,9 ` W

    -   Umrechnen
    Die den Tafeln unmittelbar entnommenen Zeiten und Winkel stimmen und brauchen nicht mit e
    korrigiert zu werden.
    Bei Rechnungen muss die Zeitgleichung (e) berücksichtigt werden: 15. Juni 2010, e  =  - 28 s
                13 h  24 min  32 s   UTC
          e               -          28
                13 h  24 min  04 s
    
    Kulmination tatsächlich (wahre Ortszeit, WOZ)  um    13 h  24 min  04 s
    Kulmination in Greenwich:                                            12 h  00         00                
    Zeitunterschied   =  Grt/GHA                                          1 h  24 min  04 s

Umrechnung Zeit in Länge (Bogenmaß)
    Die Erde dreht sich in 24 Stunden um 360o.
         1 h    entsprechen  360o : 24         =       15o
                   15o      =   15 x 60´               =            900´
         1 min  entsprechen   900´ :  60     =       15´
         1 sec     entsprechen   15´ :  60      =            1/4` (Bogenminuten)

 

    Welcher Position entspricht ein Grt/GHA von 1 h  24 min  04 s
         -      24 h  entsprechen 360o
                     1h   (360 : 24)  =  15o                                              ...    15o    
         -      1 h  (= 60 min)  entsprechen 15 * 60   = 900 `
                     1 min  900 : 60 = 15 `
                   24 min (24 x 15) entsprechen  360 ` =  6o                 ...    06o
         -      1 min / 60 s  entsprechen      15 ` / = 900 ``      
                   1 s           = 15 ``   
                   4 s           = 60 ``  =   1 `                                         ...                 01`     
                                                                                                             21o   01` W
    Schiffsposition: 21o   01` W
    (Der geringe Unterschied von 00,1`zum Ergebnis oben liegt an Auf- oder Abrundungen in den Tabellen.)

Deutlich geworden ist, um wie viel länger und fehleranfälliger das Rechnen ist.ist.

                                                                                   - - - - -

Zur Veranschaulichung das ganze als Skizze.
Der Betrachter schwebt über dem Nordpol und sieht auf die Erde.
              Formel für Mittagslänge West:
                              Mittagslänge  W    =   GHA


Für die östlichen Längen muss umgedacht werden.
Der Greenwich-Stundenwinkel (Grt/GHA) wird nur nach W gemessen, von 0o  bis 360o.
Die geographische Länge dagegen wird nur jeweils bis 180o  gezählt; nach W bis 180o (W) und nach E  bis 180o (E).

                   Formel für Mittagslänge Ost

                              Mittagslänge E    =   360  -  GHA
 
        
Noch einmal mit anderen Worten:
Bei Schiffsmittag befindet sich der Bildpunkt der Sonne auf demselben Meridian wie das Schiff, nämlich genau im Süden (oder N). Daher

          1)    Westlänge      =    GHA (Bildpunktlänge bei Schiffsmittag)

          2)    Ostlänge         =    360 o   -   GHA    

                                                                                     - - - - -

Beispiel 3    Im Atlantik (westlich von Greenwich) am 15. Juni 2010 ; Kulmination 13 h  40 min
        Länge?
    
    Verfahren: Nachschauen im NJ.
            NJ 15. Juni 2010:         13 h         GHA    14o   52,9 ` 00``
                 Schalttafel (NJ)           40 min             10    00,0  
                                                                 GHA    24o    52,9 `    
 

               Formel:    Mittagslänge W    =     GHA        
                                                              =     24 o   52,9 ` W        

    
Beispiel 4
        Im Mittelmeer  (östl. von Greenwich), 15. Juni 2010; Transit  10 h  40 min  UT
        Länge?

            GHA der Sonne (15. Juni 2010)
                NJ:                                    UT 10 h     329o    53.3 `
             Schalttafel                           40 min         10      00.0`             
               GHA                                                    339o     53.3`  
 
                Formel:   Mittagslänge E     =     360o  –  GHA            

                                                              =     360o  –    339o   53.3`
                                                              =                                             359o      60.0`
                                                                                                        -    339       53.3`
                                                                                                               20o        6,7`  E
                                                Länge   =    20o  06,7  E                                                                            

                                                                                     - - - - -
 

6.2   Mittagsposition
Eine Position ergibt sich aus Breite und Länge.

Die Sextantmessung zur Kulmination ergibt die Breite (s. Mittagsbreite),
die halbierte Zeit aus der Summe der beiden Messungen mit gleicher Höhe ergibt die Länge (s. Mittagslänge).

Verfahren
Beim Messvorgang bestimmt man nicht nur die gleiche Höhe der auf- und absteigenden Sonne sondern auch den Kulminationspunkt.

Beispiel
    Geschätzter Schiffsort: 145 W; 16. August 2010
    Transit etwa:          T  Greenwich                              12 h     00 min        
           + 145o  in Zeit =  145 x 4 min =  580 min  =       9 h     40 min
                                                                                      21 h     40 min  

IE: - 0.4` Ah: 2 m; Sonnenunterrand                                    
1. Messung:                 21 h  20 min  30 s  (UT),  
2. Messung Sextablesung (Alt Sext):    45o  25,8`  (Sonnunterrand)
3. Messung (gleiche Höhe wie 1.):     22 h  01 min  16 s
 
    Breiten-Berechnung:      Sext.     45o  25.8`
                                               IB       +        0.4
                                                           45   26.2
                             GB NJ                    +    12.6
                            Zusatz Aug.             -       0.2    
             Wahre Höhe (True Alt)        45o   38.6`

    Deklination der Sonne, 16. Aug. 2010, UT 12.00:    13o   14,6 N

    Formel: Sonne im S, gleichnamig (Pos. und  Dec: N):
        LAT    =   ZD   + Dec       (+ wenn gleichnamig)

                         ZD       =   90o    -  True Alt  
                         ZD       =   90o    -  45   38.6
                                     =                                    89        60
                                                                     -     45        38.6
                                                                           44o       21.4`
        LAT                     44o     21.4
         + Dec               13o     14.6  
        Breite, LAT        57o     36.0`   N


    Längenberechnung

    1. Messung        21  h        30   min    30   sec
    3. Messung        22            01             16
                              43            31             46             :  2  =
                                                                                       21 h   30 min + 15 min,  30 s +  23
                                                              Transit, UT        21      45 min                   53 s

    Verfahren: Nachschlagen im NJ:
    NJ: GHA  (16. Aug. 2010)  für     21 h    45 min      53 s

      NJ                     21 h                           133o  56,6`
      Schalttafel        45 min 53 s                  11o   28,3    
                                                                 144     84.9  =
                                Grt/ GHA                  145o   24.9`  W
        
            Formel:      Mittagslänge W   =   GHA
         Schiffslänge bei Kulmination    =   145o   24.9` W
        
    Das Schiff steht auf  57o 36.0` N  und   145o   24.9` W.

                                                                                     - - - - -

  Wer sich bis hierher durchgekämpft hat, sollte Routine durch Übung anstreben.
  Ich empfehle, das aktuelle Nautische Jahrbuch zu erstehen und alle Beispiele mit den aktuellen
  Werten zu berechnen. Soweit dürften die Ergebnisse nicht auseinanderliegen. Dadurch hat man
  gleichzeitig eine Kontrolle der Ergebnisse.
 
                                                                                     - - - - -  


7.   Standortbestimmung  aus  2  Messungen

In der Praxis überlässt man die Auswertung der Sextantmessungen gerne einem Rechner.
Wenn man verstehen oder selbst rechnen will, muss man sich mit sphärischer Geometrie, nämlich dem Nautischen Dreieck beschäftigen.
Um zu rechnen, braucht man die entsprechenden mathematischen Kenntnisse.
Auch hier helfen Taschenrechner.
Den Wissenshintergrund liefert ein Lehrbuch.
Ich empfehle
    Helmut Knopp, Astronomische Navigation, Verlag Busse Seewald
Knopp geht auch auf den Einsatz von Taschenrechnern ein.

Die entsprechenden Artikel im Internet zeigen die Zusammenhänge oft sehr anschaulich durch Skizzen oder Modelle. Beispielsweise
http://wp.astrosail.com/tutorial/astronomische-navigation/koordinatensysteme/das-sphaerisch-astronomische-grunddreieck/

Spezielle Astro-Navigations-Rechner (z. B. Cassens&Plath:  StarPilot TI-89 510,50 €; Mai 2019) enthalten nicht nur das entsprechende Rechenprogramm sondern meist auch alle Angaben, die sonst das Nautische Jahrbuch liefert.

In der Regel arbeiten Astro-Rechner mit dem Höhendifferenzverfahren.
Eine Gestirnsmessung, z. B. der Sonne, ergibt dabei letzten Endes eine Standlinie.
Damit die nächste Standlinie in einem sinnvollen Winkel die erste Standlinie schneidet und sich dadurch ein realistischer Standort gewinnen lässt, muss man wenigstens 4 Stunden bis zur nächsten Gestirnsmessung warten (Problem der "Schleifenden Schnitte").

     Sehr viel weniger Zeit hätte das Tagbogenverfahren benötigt.
     Aber leider …  (s. Tagbogenverfahren).


Grundgedanke des Höhendifferenz-Verfahrens
Das Prinzip gilt für alle Gestirne. Ich beschränke mich auf die Sonne.

Angenommen man würde die Höhe einer Straßenlaterne mit dem Sextanten bestimmen. Der ermittelte Winkel sei 45o.
Wenn man die Richtung zum Laternenpfahl (in astronomischer Navigations-Sprache: zum "Bildpunkt" der Laterne) nicht kennt, kann man über die eigene Position nur aussagen, dass sie sich irgendwo auf einer Kreislinie um die Laterne befindet, deren Abstand mit dem gemessenen 45o - Winkel zusammenhängt.
Entsprechendes gilt für eine Sonnenmessung.
Zwei Sonnenmessungen in angemessenem zeitlichen Abstand ergeben zwei Kreise, die sich in zwei Punkten
schneiden.  Einer davon, nämlich der geographisch wahrscheinlichere, ist unser Standort.

Zeit
In den gesamten Überlegungen spielt die sekundengenaue Weltzeit UTC eine entscheidende Rolle.
Denn die Länge des Sonnenbildpunktes entspricht dem aktuellen zeitlichen Abstand des Bildpunktes vom Null-Meridian.
Deshalb wird die Länge des Sonnenbildpunktes „Greenwicher Stundenwinkel“ (Grt; Engl.: Greenwich Hour Angel, GHA) genannt.
Gewöhnungsbedürftig ist, dass "Zeit" einen Abstand (Länge) beschreibt.
(Ausführlich dargestellt in:  4.5 Mittagslänge, Mittagsposition).

Der Abstand der Meridiane von Schiffsposition und Sonnenbildpunkt heißt
    „Orts-Stundenwinkel“ (Ort,  Engl.:  Local Hour Angle, LHA).
     Wie man ihn erhält, zeigen Skizze und Beschreibung am Ende dieses Abschnittes.
Genau dieser Abstand ergibt die Standlinie.

Azimut – Richtung zur Sonne
Mit Hilfe der (gekoppelten) Breite des Beobachtungsortes, der Sonnenhöhe (Sextantmessung), der sekundengenauen Uhrzeit der Messung in UTC, dem im NJ nachzuschlagendem Bildpunkt (BP) der Sonne zur Messzeit und der sich daraus ergebenden Länge der Schiffsposition (Ortsstundenwinkel) lässt sich mit Hilfe der mathematischen Zusammenhänge des Nautischen Dreiecks die Richtung zur Sonne (das Azimut) berechnen.
Die gekoppelte Schiffsposition liefert dabei den Punkt (Länge und Breite), von dem man aus die Richtung zum Sonnenbildpunkt abtragen kann.
Das Azimut ist der Richtungsstrahl vom Beobachtungsort zum Sonnenbildpunkt. Der Beobachtungsort liegt auf dem oben erwähnten Kreis um den BP der Sonne, dessen Durchmesser mehrere 1000 sm beträgt.  Auf einem kleinen Kartenausschnitt (unsere Seekarte) wird dieser Kreisausschnitt zu einer Geraden. Es ist unsere Standlinie und verläuft im rechten Winkel zum Azimut.

Dabei gibt es zwei Probleme:
-    das Problem der „schleifenden Schnitte“. Man muss etwa 4 h bis zur 2. Messung warten.
-    Während dieser Zeit macht aber die Yacht Strecke. Diese Distanz muss berücksichtigt werden:
     die erste Standlinie muss „versegelt“ werden.
Der Rechner erledigt nach Eingabe der notwendigen Werte die Rechenarbeit und spuckt den Beobachtungsstandort zum Zeitpunkt der zweiten Messung aus.
                                                                                     - - - - -

 

HO - Tafeln, Höhendifferenzverfahren
Es gibt ein Verfahren, mit dem man, ohne zu rechnen, die eigene Position finden kann: das Höhendifferenzverfahren in Kombination mit den HO –Tafeln  (Sight Reduction Tables for Air Navigation, Pub No 249).
(Der „normale“ Astro-Lehrgang arbeitet mit ihnen.)

In diesem Tafelwerk sind tabelliert:
    -    alle ganzgradigen Breiten von 0o bis 89o(aufgeteilt in 2 Bände),
    -    die Deklination der Sonne von 0o bis 29o,
    -    der LHA (Erläuterung später).
    Das sind die Eingangswerte.
    Man erhält:
    -    die zum "Rechenstandort" zugehörige (Sonnen-)Höhe,
    -    und das Azimut von dort aus.
    
Wenn der gemessene Sextantwinkel mit dem tabellierten Sextantwinkel der HO-Tafeln überstimmen würde,
wäre das Schiff genau auf der Standlinie (im rechten Winkel zum Azimut).
In der Regel ist das nicht der Fall, denn der Schiffsort wird kaum mit dem Koppelort übereinstimmen, geschweige denn ganzgradig sein.    
Wenn sich aber der Winkel, den wir mit dem Sextanten gemessen haben, von jenem unterscheidet,
den die Tabelle zum Rechenort ausgibt, wo befindet sich dann tatsächlich unsere Standlinie?

Wir greifen noch einmal auf das eingangs erwähnte Beispiel mit der Laterne zurück:
Angenommen, der Winkel, unter dem wir die Laterne gemessen haben, betrug 45o 30`.
Ein (fiktives) Tafelwerk nennt zu unserem angenommenen Rechenort 46o.
Ist dann der Beobachter näher oder weiter entfernt vom Rechenort (und dem dazugehörigen Sextantwinkel)?
Näher ist man, wenn man mehr nach oben schauen muss, wenn also der Blickwinkel größer ist.
Wenn man weiter entfernt ist, wird der Beobachtungswinkel (= Sextantwinkel) kleiner.
45o 30`  ist weniger als 46o. Also ist der Beobachter weiter entfernt (vom Laternen-Fußpunkt).
    
Das gleiche gilt von der Sonne.

Nun benötigt man ein Blatt Papier, am besten kariertes oder Millimeter-Papier. Den Maßstab in nautischen Meilen legt man selbst fest, desgleichen die Einteilung in Breite und Länge.
Man zeichnet die ganzgradig angenommene Position ein, anschließend von hier aus den Azimutstrahl und im rechten Winkel dazu die zum angenommenen Standort gehörige angenommene Standlinie (Gerade als Teil eines Kreises).

Einer Nebentabelle (der Tafeln) kann man die Strecke entnehmen, die der Differenz des gemessenen Sextantwinkels zum tabellierten Sextantwinkel entspricht. Diese Strecke trägt man auf dem Azimutstrahl in Richtung Fußpunkt der Sonne ab, wenn der gemessene Sextantwinkel größer war. War der gemessene Winkel kleiner, wird die Strecke in die Gegenrichtung abgetragen. Durch den Endpunkt der abgetragenen Strecke und parallel zur angenommenen ganzgradigen Standlinie findet man die tatsächliche Standlinie.

4 Stunden später misst man erneut die Sonne und bestimmt die dazugehörige Standlinie.
Der Schnittpunkt mit der versegelten ersten Standlinie ist die aktuelle Schiffsposition.

                                                                                    - - - - -
 
Praxis

Wie immer muss man den Fachwortschatz erlernen. In diesem Fall handelt es sich um englische Begriffe. Denn die HO-Tafeln wurden ursprünglich für die amerikanisch-englischen Bomberpiloten im 2. Weltkrieg entwickelt und werden vom Verteidigungsministerium der Vereinigten Staaten herausgegeben.
 
Rechenschema
Fast überall werden schematisierte Rechengänge als Vordrucke zur Verfügung gestellt.
Sie sind sinnvoll, um gedankliche Fehler, die sich auf einem schwankenden Schiff gerne einstellen, zu minimieren.
Doch allein die Anwendung dieser Listen zu erlernen, ohne den Hintergrund zu verstehen, ist für einen denkenden Navigator / Skipper unbefriedigend.

Nun müsste die praktische Arbeit mit den HO-Tafeln folgen (die ich hier nicht mehr darstelle.
Ich verweise auf diverse Anleitungen: in Büchern, im Internet; vielleicht kann man auch einen Lehrgang
besuchen.)

Gegen die Anschaffung der HO-Tafeln wird eingewendet, man müsse 6 dicke Bücher kaufen.
Das ist nicht der Fall.
Zunächst: Es gibt zwei Tafel-Werke.
-    Sight Reduction Tables for Air Navigation, Pub. Nr. 249
-    Sight Reduction Tables for Marine Navigation, Pub No. 229
          Letztere sind 6-bändig. Sie sind zwar genauer, aber deutlich umständlicher zu handhaben.

Sight Reduction Tables for Air Navigation, Pub No 249
    Band I:    Fixsterne; Breiten von 89o N bis 89o S
                          Diesen Band braucht man in der Regel nicht.
    Band II:   für die Breiten von 0o bis 39o
                          „... provide complete data for … sun, moon, planets, and stars within
                          the declination range of these bodies ...”        
    Band III: 
wie Bd II, aber für die Breiten 40o – 90o. 

Die HO-Tafeln 249 sind auch im Internet verfügbar:
      https://thenauticalalmanac.com/Pub.%20No.%20249.html

Der 40. Breitengrad verläuft etwa zwischen Lissabon und Porto – Valencia – Mitte Sardinien – Otranto – Limnos (nördl. Ägäis).
Wer eine Weltumsegelung plant, braucht also die Bände II und III, dazu natürlich den aktuellen Nautischen Almanach.
Zum Üben genügt einer der Bände je nach eigenem Übungsort.

Ich verweise noch einmal auf
    Helmut Knopp, Astronomische Navigation.
        Präzise Erklärungen, verständliche Skizzen, Beispiele zum Üben.

Zum Schluss ein Satz von Mary Blewitt, "Praktisches Navigieren nach Gestirnen":
„... und ich versichere jedem Anfänger, dass das Triumphgefühl die Mühe lohnt, wenn eine Standortbestimmung sich als richtig erweist. Es ist nur der erste Schritt schwierig. Nimm eine Höhe, und du wirst ein wenig verwirrt sein; nimm die zweite, und der Nebel wird sich lichten;  nimm ein Dutzend weitere, und du wirst nicht mehr verstehen, was für ein Theater vorher um das alles gemacht wurde.“           

                                                                                     - - - - -

 
Begriffe

auch die Begriffserklärungen bei 4.2 "Nordsternbreite" und 4.4 "Mittagsbreite"

Stundenwinkel (Grt) eines Gestirns, z. B. der Sonne (Greenwich Hour Angle, GHA)
     Nach Klopp:
        Es ist der Winkelabstand eines Gestirns (z. B. der Sonne) vom Meridian von Greenwich (0 - Meridian).
        Er entspricht der geographischen Länge eines Punktes der Erdoberfläche. Ein Unterschied    
        ist jedoch, dass der Grt immer in westlicher Richtung von 0o bis 360o gezühlt wird.
        
Ortsstundenwinkel (t)  -  Local Hour Angle (LHA) 
        Nach Klopp:
        Bezieht man den Stundenwinkel auf den Ortsmeridian eines Beobachters, nennt man ihn
        Ortsstundenwinkel (t)   (oder Local Hour Angle, LHA.)
        Ähnlich wie die geographische Länge
(wird der) Ortsstundenwinkel nach West oder Ost
        jeweils von 0o bis 180o
(gezählt). Im Deutschen heißt er dann westlicher bzw.
        östlicher Ortsstundenwinkel ...
        Der LHA wird in den amerikanischen HO-Tafeln benutzt ...
        Die HO-Tafeln verlangen als Eingangswerte ganzzahlige Werte für den LHA ...

        Nach Nautisches Jahrbuch:
        Den Ortsstundenwinkel erhält man aus dem Greenwicher Stundenwinkel durch ...
        Addition der geographischen Länge (östliche Länge positiv, westliche Länge negativ).
         

          

Aus der Skizze ergibt sich:
             bei westlicher - Position des Schiffes:     
                  Ortsstundenwinkel (t)  =    Greewichwinkel (Grt)   minus   Länge W (Lambda W)
                                                  t    =    Grt     -   Länge W
                        in E:             LHA  =    GHA  -   Long W           

             bei östlicher Position des Schiffes:
                  Ortsstundenwinkel (t)  =    Greenwichwinkel (Grt)    plus   Länge E  (Lambda E)
                                                  t    =    Grt     +   Länge E
                        in E:             LHA  =    GHA  +   Long E            

           
Merkhilfe:
            Bei Westlänge: weniger (= Minus)                                       

                                                                                    - - - - -

 

Literatur
„Nautisches Jahrbuch – Ephemeriden und Tafeln“,
        Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie, Hamburg
Knopp, Helmut, „Astronomische Navigation mit Tafeln, Taschenrechner und PC“, Busse     Seewald, 1996  

Internet: z. B. Wikipedia, aber auch andere Veröffentlichungen.

                                                                                     - - - - - 

 

8.     Tagbogen-Verfahren 

Das Tagbogen-Verfahren ist nach der Sonnenbahn über dem Horizont, dem Tagbogen, benannt.

Es wurde von Dr. Ralf Lampalzer, meinem Sohn, entwickelt und 1988 in der „Deutschen Hydrographischen Zeitschrift“ des „Deutschen Hydrographischen Instituts Hamburg“ publiziert (01/1988, Vol. 41, Ausgabe 1, S. 35 – 38) unter dem Titel: „Bestimmung der geographischen Position aufgrund mehrerer Messungen mit Fehlerrechnung“.

Ralf Lampalzer war damals Schüler am Gymnasium, hat mit seinem „Tagbogenverfahren“ am Wettstreit „Jugend forscht“ teilgenommen und wurde damit 1989 Bundessieger im Fach “Geo- und Raumwissenschaften“.

 

Einführung   von Ralf Lampalzer
Fast alle astronomischen Messungen werden heute nach dem Höhendifferenzverfahren ausgewertet. Das Verfahren läuft darauf hinaus, mit Hilfe einer geschätzten Position eine astronomischen Messung in eine Standlinie auf der Seekarte zu verwandeln. Nach mehreren Messungen kann man dann mit Hilfe sich schneidender Standlinien eine Position ermitteln.
Mittlerweile erledigen oft Computer die lästige Auswertungsarbeit. Diese Geräte sind klein, batteriebetrieben und damit für den Einsatz an Bord geeignet. Intern  im Rechner wird fast immer das Höhendifferenzverfahren als Grundlage des Rechnerprogramms verwendet. Dabei sind astronomische Standlinien keine Bleistiftstriche, sondern Geradengleichungen. Dennoch nützt das Höhendifferenzverfahren die Möglichkeiten des Computers in keiner Weise aus.
Auch ich wollte ursprünglich dieses Verfahren für den eigenen Gebrauch programmieren.
Dabei wurden mir jedoch verschiedene Nachteile des Höhendifferenzverfahrens bewusst:
-     Das Verfahren orientiert sich an der Ebene der Seekarte und nicht an der Erde als Kugel. Dadurch arbeitet das Verfahren nicht genau, besonders wenn die eigene Position schlecht geschätzt (gekoppelt) wurde.
-     Normalerweise wird beim Höhendifferenzverfahren mit zwei Messungen gearbeitet. Bei nur zwei Messungen können sich unvermeidliche Messfehler so fatal auswirken, dass der Standort sehr ungenau wird.
-     Nur wenige Computerprogramme erlauben es, mehr als zwei Messungen einzugeben. Gerade dies aber wäre der richtige Ansatz, um mit den Mitteln der Fehler- und Ausgleichsrechnung die Genauigkeit der Ergebnisse beträchtlich zu verbessern, weil Messfehler des Navigators auf diese Weise kompensiert werden können.
So entwickelte ich – zunächst für den eigenen Gebrauch – ein vollständig neues Verfahren, das sich an den exakten Formeln der Kugelgeometrie und der Fehlerrechnung orientiert, das ...
 
Tagobgenverfahren
Prinzip
Bei meinem Verfahren wird mit Hilfe mehrerer Messungen zunächst die Bahn, die ein Gestirn über dem Horizont zurücklegt, rekonstruiert. Diese Bahn entspricht einer ganz bestimmten Beobachtungsposition auf der Erde: der eigene Standort. Aus der Kurve des Gestirns wird nun auf diesen Standort zurückgerechnet.
Aufgrund dieses Prinzips habe ich das Verfahren als „Tagbogenverfahren“ bezeichnet.

 

Programmierung, Rechner
Der nächste Schritt war die Erstellung eines Rechenprogrammes, das die Messungen auswertet. Der Sharp PC 1403H erwies sich als geeignet.

Eingearbeitet wurden:

Versegelung
Auf einem segelnden Schiff wird zwischen den Messungen eine Strecke zurückgelegt. Dadurch ändern sich die Höhen geringfügig, aber doch so, dass man sie berücksichtigen sollte.

Das Programm bezieht die versegelte Strecke zwischen den Messungen mit ein, wenn der Benutzer eine entsprechende Einstellung vornimmt.

 Ausreißertest
Es kommt vor, dass sich ein grober Messfehler einschleicht. Dieser Messwert kann mit diesem Programmteil ausgesondert werden.
Der Rechner erkennt solche Ausreißer, sofern genügend Vergleichsmessungen vorliegen. Dann zeigt der Rechner die Nummer(n) dieser Messung(en) und entfernt sie für die weitere Rechnung. ...

Die Praxis zeigt, dass mit der Elimination des ersten Ausreißers die Genauigkeit des Ergebnisses sprunghaft verbessert wird.

 Bildpunktkoordinaten
Die Bildpunktkoordinaten der Sonne, des Mondes des Frühlingspunktes und aller 80 im Nautischen Jahrbuch aufgeführten Fixsterne sind im Programm enthalten. Dadurch entfällt für diese Himmelskörper das Blättern im Nautischen Jahrbuch.
In der Praxis wurde der Mond bislang etwas stiefmütterlich behandelt, da die Berechnung seiner Ephemeriden und der Parallaxe kompliziert ist. Das Programm übernimmt diese Arbeit.
Aus einer Messung der Sonne und einer des Mondes (z. B. am Abend) lässt sich sofort eine genaue Position ermitteln.

Dasselbe gilt für die Fixsterne.

Korrektur der gemessenen Höhe
Die Korrekturen in Bezug auf Refraktion, Augeshöhe, Radius der Sonne und Mond sowie Horizontalparallaxe werden automatisch vorgenommen.

Ein Indexfehler des Sextanten muss vor der Eingabe berichtigt werden.

                                                                                      - - - - -                                                                                                       

Erprobung
Clark Stede und Michelle Poncini hatten den Tagbogen-Rechner auf ihrer Fahrt im Jahre 1990 durch die Nordwest-Passage an Bord.
            Es war die erste Fahrt von Ost nach West, die einer deutschen Yacht gelang.
            (Nachzulesen in „Packeis, Sturm und rote Segel“, Edition Erdmann, 1991)
Im gleichen Jahr brach der zweite Golfkrieg aus.
Die Amerikaner verhinderten im Zuge der militärischen Operationen, dass das Global Positioning System  (GPS), welches vom US-Verteidigungsministerium entwickelt worden war,  von anderen genutzt wurde; d. h. sie schalteten es ab.
Clark Stede musste plötzlich mit dem Sextanten  navigieren. Dabei griff er auf den mit dem Tagbogenverfahren programmierten Rechner zurück.

Clark  Stedes erstes Fax an Dr. Ralf Lampalzer nach Bezwingung der Nordwest-Passage:

                    "Der Rechner samt Tagbogen - Verfahren ist ERSTE Klasse."

 

Versuche, das Tagbogenverfahren bekannt zu machen
Im Anschluss daran versuchten wir, Bobby Schenk das Verfahren vorzustellen. Immerhin war es das erste Verfahren, das anders dachte als Marcq St. Hilaire`s „Höhendifferenzverfahren“ (entwickelt etwa 1875).
Naiv wie wir waren, glaubten wir, Bobby Schenk würde vielleicht die Rolle eines Mentors übernehmen und – als damaliger Astro-Papst -   diesem  revolutionären Verfahren zum Durchbruch verhelfen. Wir erträumten uns eine Art Zusammenarbeit.
Bobby Schenk hat zwar auf unseren ersten Kontakt geantwortet, dann aber nicht mehr. Er hat uns wohl vor allem als Konkurrenten zu seinem Astro-Computer gesehen.
Nun versuchten wir es allein, und zwar mit Annoncen in allen gängigen Segler-Zeitschriften.
Die YACHT allerdings verweigerte die Veröffentlichung unserer Anzeige mit der Begründung, es würde gegen ihre finanziellen Interessen verstoßen. Erst jetzt realisierten wir, dass YACHT und Bobby Schenk zusammenarbeiteten.
 
Einer der wenigen, die sich mit unserem Rechner ausrüsteten, war Helmut van Straelen. 
(s. „Beidrehen?  … Im Orkan?“,  auf dieser Webseite)
Zum Schluss versuchten wir mit Clark Stedes Hilfe, einen anderen Partner zu finden, wurden aber endlos hingehalten, letztlich gelinkt.
Nach zwei Jahren erfolgloser Anstrengungen gaben wir auf.
Gelernt hatten wir, wie gnadenlos die moderne Wirtschaftswelt ist.
 
Mittlerweile sind 30 Jahre vergangen.
Die Rechen-Computer haben sich verändert, ebenfalls die Programmiertechnik. Wenn man das rechnerbasierte Tagbogen-Verfahren verfügbar machen wollte, müsste es neu programmiert werden.
In Bezug auf Hochsee-Navigation dominieren heute GPS und AIS.
Der Sextant wird höchstens als Backup betrachtet.
Das erfüllt allerdings auch ein Hand-GPS.
 
Bleibt die Angst vor einem Abschalten des gesamten GPS-Systems.
(Dann wäre das Hand-GPS-Gerät unbrauchbar und der Sextant wieder gefragt.)
Europa hat mittlerweile ein von den USA unabhängiges Navigationssystem entwickelt: Galileo ist seit Dez. 2016 für alle zugänglich; genutzt wird es meines Wissens kaum.
 
Neuprogrammierung?
Der Amateurfunk ist eigentlich überholt. Dennoch gibt es weltweit genug Enthusiasten, die Amateurfunk nicht nur als Hobby betreiben sondern - gerade auf See - davon profitieren.
Auch der Sextant als Navigations-Instrument wird nicht mehr zwingend benötigt.
Dennoch möchte man als Skipper wissen, wie Sextant-Navigation funktioniert.
Das Tüpfelchen auf dem i wäre die Auswertung der Sextantmessungen mit Hilfe des Tagbogenverfahrens. Aber dazu müsste es ein entsprechendes neues Programm geben.
 
Als Segler erlebt man dankbar, wenn einem geholfen wird. Irgendwann möchte man etwas zurückgeben.
Vielleicht könnte das zum Motiv werden, das Verfahren neu zu programmieren und allen Seglern zur Verfügung zu stellen.
Die Grundlagen dazu inklusive der mathematischen Formeln finden sich in:
„Deutsche Hydrographische Zeitschrift“ 1/1988,
            HG: Deutsches Hydrographisches Institut Hamburg,
Ralf Lampalzer, „Bestimmung der geographischen Position aufgrund mehrerer astronomischer Messungen mit Fehlerrechnung“
 
                                                                                                                                                                Dr. Hans Lampalzer, Mai 2019
 

 

Aus dem damaligen Handbuch zum Rechnerprogramm 

Grundsätzliches zur astronomischen Navigation
Die Messung einer Gestirnshöhe liefert keine Position. Sie reduziert nur die möglichen Positionen des Schiffes auf alle Punkte eines Kreises, der sich über den ganzen Globus erstreckt.
Auf Ihrer Seekarte sehen Sie in aller Regel nur einen winzigen Teil dieses Kreises, der dann kaum noch eine Krümmung aufweist und dem Navigator deshalb wie eine Gerade, wie die „Standlinie“ vorkommt.
Eine Position kann grundsätzlich erst nach mindestens zwei Messungen ermittelt werden, weil sich dann die Kreise schneiden – hoffentlich genau dort, wo sich das Schiff befindet.
Allerdings ist mit zwei Messungen desselben Himmelskörpers hintereinander noch nicht viel erreicht. Die erhaltenen Kreise werden sich kaum unterscheiden, so dass die Standlinie über weite Strecken sehr eng beisammen liegen. Es ergibt sich zwar rechnerisch ein Schnittpunkt, als exakter Standort ist er aber unbrauchbar. Dieses Problem wird allgemein als Problem der schleifenden Schnitte bezeichnet.
Es wird üblicherweise dadurch vermieden,
   -   dass man in der Dämmerung verschiedene Himmelsobjekte misst: die entsprechenden Kreise sind dann deutlich getrennt und schneiden sich sauber
   -   oder dass zwischen den Messungen ein und desselben Objektes ein ausreichend langer zeitlicher Abstand eingehalten wird.
 
Das Höhendifferenzverfahren wurde ca. 1875 von dem französischen Admiral Marcq St. Hilaire entwickelt. Es liefert zu jeder Sextantmessung eine Standlinie. Da diese Standlinie Teil eines Kreises ist, benötigt das Höhendifferenzverfahren eine Angabe, welcher Teil des Kreises in die Standlinie umgewandelt werden soll.
Deswegen ist für das Höhendifferenzverfahren eine ungefähre Angabe der Position nötig, z. B. der Koppelort eines Schiffes. Je ungenauer diese Angabe, desto ungenauer arbeitet auch das Verfahren. ...
Das Tagbogenverfahren verwandelt Kreise nicht in Linien, sondern rechnet in den exakten Formeln der Kugelgeometrie. Zusätzlich werden statistische Methoden einbezogen. …
 
Das Mittagsbesteck ist das älteste Verfahren der astronomischen Navigation.
Das besondere an diesem Verfahren ist, dass die Bestimmung der Breite und Länge unabhängig voneinander vorgenommen werden kann:
     -   die Breite aus der Kulminationshöhe („Mittagsbreite“, diese beherrschten schon die Phönizier)
     -   und die Länge aus der Kulminationszeit („Mittagslänge“, seit J. Harrisons Chronometer im Jahre 1759 möglich).
Im Tagbogenverfahren wird das Mittagsbesteck (Mittagsbreite und –länge) zu einem Spezialfall:
    Es wird genau jener Teil des Tagbogens ausgemessen, in dem die Sonne kulminiert.
   Also ist für die Mittagsbreite kein eigenständiges Programm nötig.
Für den Navigator ergibt sich der Vorteil, dass er nicht an bestimmte Messzeitpunkte gebunden ist, dass also der Zeitdruck entfällt. Denn er braucht weder die Sonne exakt  bei der Kulmination zu messen noch muss er den genauen Durchgang der absteigenden Sonne durch die anfangs gemessene Höhe treffen. Und dennoch erhält er einen Standort mit gleicher Genauigkeit.
 
Statistische Betrachtungen
In der Praxis ist es fast immer so, dass tagsüber in möglichst kurzer Zeit ein Standort ermittelt werden soll. Dies ist jedoch aufgrund des „Problems der schleifenden Schnitte“ nicht mit einer brauchbaren Genauigkeit durchführbar.
Setzt man den Fehler bei einer Messzeit von 4 Stunden willkürlich gleich 1, so beschreibt folgende Tabelle die Erhöhung des Fehlers durch schleifende Schnitte bei kürzeren Beobachtungszeiträumen:
     Gesamtzeit     4 h       3 h        2 h        1 h        45 min       40 min        30 min
     Fehler             1          1,2        1,7         3,3        4,4              5,0              6,6
 
(Diese Fehler rühren daher, dass der Schnittpunkt zweier nicht scharf bekannter Geraden, sich unter einem spitzen Winkel schneiden, weniger genau bestimmt werden kann als wenn sie sich rechtwinklig schneiden.
Der Fehler ist proportional zur Fläche der Fehlerellipse zweier sich schneidender Geraden.)
 
Man kann diesen Fehler dadurch kompensieren, dass der Himmelskörper mehr als zweimal gemessen wird. Der Rechner kennt dann eine Vielzahl von Kreisen, die er mit statistischen Methoden wesentlich genauer auswerten kann. Setzt man den Fehler, der sich nach nur zwei Messungen ergibt, gleich 1, so geht dieser Fehler mit jeder weiteren Messung nach den Gesetzen der Statistik erheblich zurück:
     Zahl der Messungen              2           3            4            5            10              15
     Fehler                                     1           0,24       0,14       0,11         0,059          0,043  
           (Der Fehler ist proportional zur Annahme der Varianz 1/ Wurzel (n-1) unter Berücksichtigung eines Korrekturfaktors für sehr wenige Messdaten.)
 
Man sieht, wie sich die Genauigkeit allein durch Mehrfachmessungen (trotz gleichen Fehlers der Einzelmessung) deutlich erhöhen lässt.
Folglich kann man den Beobachtungszeitraum verringern, wenn man die Zahl der Messungen erhöht.
Das Produkt der beiden Fehler aus den Tabellen sollte dabei möglichst klein sein.
Wenn man davon ausgeht, dass zwei Messungen in 4 Stunden ausreichend genau sind, so erreicht man dasselbe Ergebnis mit 4 Messungen in ½ h (6,6 - 0,14 = 0,924) oder ein besseres mit 10 Messungen in 45 Minuten (4,4 – 0,059 = 0,2596).  
 
Vorgehen in der Praxis
Bewährt hat sich folgendes Vorgehen:
     -   Innerhalb einer Viertelstunde wird die Sonne mehrfach gemessen, vielleicht 4 mal,
     -   dann wartet man eine Viertelstunde
     -   und misst anschließend innerhalb der dritten Viertelstunde erneut 4 mal.
Das reicht für eine seriöse Standortbestimmung mit Hilfe des Tagbogenverfahrens aus.
Die größte Genauigkeit (bzw. den kürzesten Messzeitraum) erhält man um die Mittagszeit (Kulmination).
 
Es bleibt jedoch festzuhalten, dass andere Fehlerquellen auch starken Einfluss auf das Ergebnis haben:
     -   Messtechnik des Beobachters, Seegang
     -   Eine präzise Uhr ist Voraussetzung. Jede Sekunde, die Ihre Uhr vor- oder nachgeht, verändert die berechnete Position um ¼` nach Westen bzw. Osten.
     -   Bei Verwendung eines Kunststoffsextanten muss der Fehler aus den obigen Tabellen deutlich höher angesetzt, vielleicht verdoppelt werden.             
         Das heißt für die Praxis: öfter messen oder Messzeitspanne verlängern.
 
Vorteile des Tagbogenverfahrens
  • Die Eingabe eines Koppelortes entfällt.
  • Der Standort wird mit erhöhter Genauigkeit ermittelt.
  • Eine Standortbestimmung ist nach kürzerer Zeit möglich.
  • Der Zeitdruck entfällt, weil es nicht notwendig ist, bei der Messung bestimmte Zeitpunkte exakt einzuhalten (Mittagsbesteck).
  • Völlig stressfrei, weil ohne Zeit- und Messdruck, erhält man die Mittagsposition mit dem Tagbogenverfahren.
  • Die Mittagsposition ist hier kein Spezialfall, nur die Umstände sind besonders günstig.
          Weil die Sonne um die Mittagszeit ihre Bahn deutlich ändert, verkürzt sich die  benötigte Zeitspanne deutlich.
          Man misst einige Male um den Kulminationspunkt der Sonne und gibt die Werte und die jeweilige Uhrzeit in den Rechner ein. Fertig!
 
                                                                                                                                                                                Dr. Ralf Lampalzer (1990)