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Hauptkategorie: Sturm
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Kategorie: Trysegel? Sturmfock? Traveller?
Trysegel ? Sturmfock ? Traveller ?
I Traveller
Ich segle ohne Traveller. Der Baumniederholer ersetzt ihn.
"Wenn es bei viel Wind auf den großen Regatta-Yachten schnell gehen musste, nahmen wir immer den Baumniederholer.
Es muss allerdings ein guter Niederholer sein!“
... hatte mir der Konstrukteur, Herr Körner, ans Herz gelegt.
Es funktioniert einwandfrei.
Natürlich kann ich das Groß bei wenig Wind nicht nach Luv holen. Aber für ein Fahrtenschiff ist dies zweitrangig.
(Man könnte eine Hilfstalje scheren.)
Der Gewinn? … ein freies Cockpit!
Wie funktioniert es technisch:
Der Baumniederholer schwenkt mit dem Baum aus. Wenn der Baumniederholer angeholt wird, zieht er den Baum senkrecht nach unten.
Genau das tut auch ein Traveller, wenn er nach Lee versetzt wird.
Nur an anderer Stelle.
II Trysegel und Sturmfock
… gelten als die wesentlichen Komponenten der Sturmbesegelung.
Deshalb habe ich meine erste Yacht damit ausgerüstet, eine Friendship 28 mit geteiltem Lateralplan, ausgewogenen Linien und Hochtakelung.
Das Trysegel wurde in der Mastnut des Großsegels gesetzt, die Sturmfock am Vorstag mit Stagreitern.
Auf der Fahrt von Sóller (Mallorca) nach der Ile de Porquerolles setzten wir bei einbrechender Nacht und sich ankündigendem Starkwind
diese beiden Segel.
Es war umständlich, es dauerte, aber wir waren 4 junge, sportliche, unbekümmerte Männer.
Der Wind legte während der Nacht auf 8 Bft zu.
Faszinierend war, wie Trysegel und Sturmfock die Böen abfederten, ohne das Schiff allzu sehr krängen zu lassen.
Diese Nacht prägte meine positive Einstellung zu Try und Sturmfock.
Es gab allerdings zwei andere Situationen, in der wir gar nicht dazu kamen, diese Segel zu setzen:
in der Biskaya bei 8 - 9 Bft gegenan (nur unter kleiner Fock)
und im Golf du Lion bei achterlichen 9 Bft (?) und beängstigendem Wellengang (zwei Reffs im Groß und Fock).
Einige Jahre später legten wir uns eine Rollfock zu.
Die Sturmfock sollte deshalb an einem wegnehmbaren Kutterstag gefahren werden; sie kam aber nicht zum Einsatz.
Unterwegs mit meiner Frau verzichtete ich bei Starkwind auf den Gang aufs Vorschiff.
Wir segelten mit doppelt gerefftem Groß, im Notfall ließen wir den Motor mitlaufen.
Wenn man realistisch bleibt, muss man sagen:
Oft habe ich Trysegel und Sturmfock nicht verwendet, und erfolgreich ein einziges Mal, in 20 Jahren.
Dass man Sturmsegel selten braucht, liegt in der Natur der Sache.
"Wichtig ist, sie im entscheidenden Moment greifbar zu haben", so argumentiert jedes Segel-Lehrbuch.
Hinzu komme der Aspekt, dass man ein spezialisiertes Segel einsetzen könne und gleichzeitig ein Ersatzsegel erhalte.
Das war auch meine Überzeugung.
Neues Schiff
Deshalb habe ich meine neue Yacht, eine Forna 37, wieder folgendermaßen ausgerüstet:
- mit Trysegel, diesmal an separater Schiene,
- und Sturmfock am wegnehmbaren Kutterstag,
- was bei einem 7/8-Rigg Backstagen erforderlich macht.
Umsonst! Das System hat nicht funktioniert.
Illusionslos betrachtet, ist es eine Fehlinvestition.
Der Konstrukteur hatte mir abgeraten, Hallspars (Rigg) ebenfalls. Sie haben Recht behalten. Warum?
Um das zu verstehen, zuerst ein Blick auf mein jetziges Schiff:
Es ist eine moderne, seglerisch optimierte Yacht mit 7/8-Rigg, einer flach geschnittenen, für Gegenan-Kurse konzipierten Rollfock,
das Groß mit durchgehenden Segellatten, Einleinenreffsystem für zwei Reffs, alles ins Cockpit umgelenkt; Lazy Jacks.
Unfreiwilliger Test im Skagerrak
Im Sommer 2008 gerieten mein Freund und ich im Skagerrak in einen Oststurm.
Der Wind baute sich rasch auf, von Bft 4 bis auf vermutlich 9 Bft während der Nacht.
An ein Setzen des Trysegels war nicht zu denken, auch schon nicht mehr bei 6 Bft einige Stunden vorher,
obwohl das Try vorbereitet war, sich zwar noch im Segelsack befand aber bereits in die Trysegelschiene eingeschäkelt war.
Ich hatte die Größenverhältnisse meines neuen Schiffes vollkommen unterschätzt, z. B. um wie viel höher nun der Baum ansetzt.
Auch nicht, wie schwierig es ist, ein Groß mit diesen Dimensionen bei Wind auftuchen zu wollen und mit Zeisingen festzuzurren.
Im Hafen sieht alles unproblematisch aus ...
Zusätzlich hätten die Lazy Jacks vom Baum abgeknotet werden müssen.
Die Lazy Jacks kreuzen nämlich die Trysegelschiene. Dadurch genügt es nicht, sie nur zum Mast hin wegzubinden.
Auch das hatte ich geglaubt, dass es machbar sei.
Ein fundamentaler Irrtum!
Von den Seegangsverhältnissen habe ich noch gar nicht gesprochen:
Auf dem arbeitenden Vordeck ein Kutterstag anbringen zu wollen, war nahezu unmöglich geworden.
Das Vorschiff meiner 37-Fuß-Yacht bietet keine Möglichkeit, sich irgendwo festzuhalten oder festzuklemmen.
Und es sind doch eine ganze Anzahl von Handgriffen nötig:
selbst bei guten Bedingungen dauert es eine ganze Weile, bis Vorstag und Backstagen geriggt,
die Sturmfock mit Hilfe der Stagreiter angehängt ist
und die Schoten durchgeführt sind.
Bei den mittlerweile herrschenden Bedingungen an Deck am Baum arbeiten zu wollen ...
Es war unmöglich!
Die Theorie besagt dass man die Sturmsegel setzt, wenn die Bedingungen es noch zulassen.
Das wäre in Ruhe im Hafen der Fall gewesen. Aber wer würde auslaufen, wenn er weiß, dass er Sturmsegel braucht?
Auch bei 5 Bft denkt man in der Praxis an ein Setzen von Sturmfock und Trysegel noch nicht, weil sie zu wenig Vortrieb erzeugen.
Danach aber wird es bei entsprechendem Seegang vor allem auf dem Hauptdeck sehr schnell riskant.
Habe ich also einen Fehler in der Wahl des Riggs oder des Reffsystems gemacht?
Wenn man sich für ein modernes, im Achterliek ausgestelltes Segel entscheidet, kommt man um Latten nicht herum.
Mit Latten aber, muss auf den Baum herab gerefft werden; und dazu benötigt man zwingend Lazy Jacks (s. weiter unten).
Die Alternative wäre ein Reffsystem, bei dem das Groß in den Mast gerefft wird.
Dafür gibt es mittlerweile senkrechte Latten, die mit eingerollt werden können.
Dies sieht nach der perfekten Lösung aus.
In Wirklichkeit hat das System große Schwächen.
Paul, Profiskipper:
"In den Mast reffen ist gut ... so lange das System funktioniert. Wenn es nicht funktioniert, hast Du ein Problem!"
Ich würde mich wieder für Reffen auf den Baum entscheiden.
Unberechenbarer Seegang
14 Tage vor dem oben erwähnten Sturm, nachts:
Summertime ist auf dem Weg von Lerwick nach Bergen, steht zwischen Viking- und Bergenbank.
Halber Wind bei lediglich 5 - 6 Bft, ruppiger Seegang, vermutlich aufgrund des unruhigen Meeresbodens.
Das Schiff rollt unrhythmisch.
Es ist kurz vor Mitternacht.
Ich hangle mich nach unten in die Pantry, ich habe Hunger.
Um die Rollbewegungen auszugleichen, gehe ich mit Brot und Wurst tief in die Hocke,
lehne mich mit dem Rücken an den festgesetzten Herd. Licht brauche ich nicht.
Urplötzlich werde ich wie ein Federball von einem Badminton-Schläger quer durch den Niedergangsbereich katapultiert,
über die Treppe hinweg.
Ich knalle von oben auf die Kante des Nav-Sitzes an Steuerbord.
Nach Luft ringend, bleibe ich liegen. Rippenbruch.
Das Schiff muss sich fast um 90 Grad weggelegt haben (vielleicht auch um mehr als 90),
aber nicht langsam sondern sehr schnell, mit jenem Anfangs-Impuls, der mich abgeschnellt hat.
Dieser Vorfall hat mich sehr vorsichtig werden lassen. Sogar im Cockpit angeleint wäre ich über Bord geschossen worden.
Und erst an Deck ...?
Was hat sich bewährt?
Zurück zum Oststurm im Skagerrak. Bisher war die Rede davon, was versagte.
Nun zum anderen Teil: Was funktionierte?
- Lazy Jacks
Als das Groß nach dem 2. Reff schließlich ganz weggenommen werden musste, öffnete ich lediglich die Hebelklemme des Falls.
Das Groß fiel selbsttätig in die Lazy Jacks. Fertig!
Aufgrund des Gewichts der durchgehenden Segellatten blieb das Segel einigermaßen liegen, auch ohne Bändsel.
Allerdings stieg das Vorliek immer wieder hoch. Ein Niederholer wäre gut gewesen.
- Aries
Die Yacht lief unter Windsteuerung (Aries) und nahm die steilen Seen in einem Winkel von etwa 60, vielleicht auch 70 o.
Ich bin normalerweise unterbemannt. Auf Törn nie mehr ohne Selbststeueranlage!
- Rollfock
Die Fock rollte ich nach und nach immer weiter weg, bis nur noch ein handtuchgroßes Stück das Schiff stabilisierte;
es war zum Schluss weniger als 1 m2 Segelfläche.
Bei 9 Bft konnte die Yacht allerdings ihre Position nicht halten, obwohl sie gegenan segelte; im Laufe der Stunden verloren wir Höhe.
Schließlich entschloss ich mich abzulaufen, noch immer allein unter der winzigen Fock.
Wäre es möglich gewesen, sich von einer Leeküste freizukreuzen?
Auf jeden Fall hätte die Yacht die Position halten können.
Dazu hätte man allerdings aggressiv, also mit mehr Tuch, segeln und per Hand steuern müssen.
Ich aber war froh, dass das Schiff für sich selbst sorgte.
Summertime kam mit den geschilderten Sturmbedingungen ganz gut zurecht.
Zur Erinnerung:
- 7/8-Rigg: das bedeutet ein großes Groß mit kleiner Fock
- Rollfock: flach geschnitten
- Groß: durchgelattet, Lazy Jacks
Meine Folgerungen:
- Beibehalten werde ich, was sich bewährt hat: Rollfock, Lazy-Jacks, Selbststeueranlage.
- Sinnvoll ist nur, was fest installiert und einsatzbereit ist.
- Alle Segel müssen vom Cockpit aus gesetzt und geborgen werden können
- Die Vorstellungen, bei zunehmenden Wind auf einem größeren Schiff
- auf (wegnehmbares) Kutterstag mit Sturmfock umzurüsten
- und anstelle des Groß ein Trysegel setzen zu wollen,
sind falsch.
III Verbesserungen
Mittlerweile sind 6 Jahre vergangen. Ich habe aufgerüstet:
- 3. Reff im Groß
- Sturmfock am wegnehmbaren Kutterstag, aber beim Auslaufen angeschlagen
- Niederholer an Groß und Sturmfock, laufende Niederholer für die Backstagen
- Jordan-Series-Drogue (Treibanker nach Donald Jordan)
Alles wird vor dem Ablegen installiert, allerdings nur, wenn ein ernsthafter Törn bevorsteht.
1) Drittes Reff im Groß anstelle des Trysegels.
Man erhält sozusagen ein Sturmsegel, ohne dass man das Segel wechseln muss.
- Beim Gegenan-Segeln lässt sich sehr viel höher an den Wind gehen, weil der obere Teil eines Großsegels (das 3. Reff)
sehr viel flacher geschnitten ist, als ein Trysegel.
- Das Groß (mit Latten) liegt in den Lazy Jacks einigermaßen fest, wenn es weggenommen wurde.
Niemand muss zum Einbinden an Deck.
Dazu einen Niederholer für das Groß.
Der Niederholer macht Setzen und Reffen umständlich.
Der Vorteil: das Vorliek kann nicht mehr steigen.
Mit meinen Erfahrungen bin ich in guter Gesellschaft:
Skip Novak, berühmter Segler u. a. am Kap Horn, favorisiert ebenfalls das 3. Reff.
Einen realistischen Eindruck vermittelt sein Video:
2) Sturmfock am wegnehmbaren Kutterstag
Ich setze das Kutterstag bei jedem ernsthaften Törn vor dem Auslaufen.
Die Sturmfock wird angeschlagen, die Schoten eingezogen, beides wird in den Segelsack gesteckt und dieser am Kutterstag angebunden.
Der Niederholer hält die Sturmfock (im Segelsack) unten.
Die Nachteile
- Das Kreuzen ist umständlicher geworden:
entweder man zerrt das Vorsegel durch den Spalt zwischen Kutter- und Vorstag
oder man rollt die Fock weg, wendet und rollt wieder aus.
Wer allerdings Strecke segelt, braucht nicht oft zu wenden.
- Man hat weitere Leinen zu bedienen.
Und man braucht für sie zusätzliche Klampen o. ä.
Die Vorteile:
- Die Sturmfock ist einsatzbereit.
- Wenn der Wind noch weiter zulegt, kann die Sturmfock mit dem Niederholer flach an Deck gezogen werden.
- Niemand muss auf das Vorschiff.
Ideal wäre eine zweite, innere Rollfock am festen Kutterstag.
Nur diese Konfiguration würde alle Wünsche erfüllen.
https://youtu.be/-Kt28zHIn0U
3) Backstagen
Bei einem 7/8-Rigg setzt das Kutterstag so tief an, dass Backstagen als Gegengewicht zum Kutterstag nötig werden.
Laufende Niederholer erlauben das Setzen dieser Backstagen vom Cockpit auf, ebenso das Bedienen der Backstagen bei einer Wende.
Nachteil: nochmal 4 Leinen (2 Backstagen, 2 Niederholer)
Bei einem 12/13-Rigg wären Backstagen nicht unbedingt notwendig.
Das spricht evtl. für diese Rigg-Variante.
4) Der Jordan-Treibanker (JSD)
... gibt allen Yachten bei extremen Stürmen eine zusätzliche Option.
Vgl. "Sturmtaktik auf Yachten" und "Der Jordan Series Drogue … eine Recherche", beides auf dieser Webseite.
Dr. Lampalzer, Feb. 2016